Leitsatz (amtlich)
Die Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person kann, wenn ein einheitliches Verfahren gegen das handelnde Organ und die juristische Person eingeleitet worden ist, nur und spätestens bis zum gleichzeitigen Abschluss des gegen das Organ anhängigen tatrichterlichen Verfahrens erfolgen. Durch eine vom Tatgericht getroffene gesonderte Entscheidung gegen das Organ - hier durch zwischenzeitlich rechtskräftigen Beschluss nach § 72 OWiG - erfolgt eine faktische Trennung des Verfahrens. Wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 OWiG ist das Bußgeldverfahren gegen die juristische Person dann einzustellen.
Verfahrensgang
AG Mühlhausen (Entscheidung vom 13.03.2018; Aktenzeichen 134 Js 4562/17 3 OWi) |
Tenor
1. Das Urteil des Amtsgerichts Mühlhausen vom 13.03.2018 wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird eingestellt.
3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheid des Freistaates Thüringen, Landesamt für Verbraucherschutz, vom 29.06.2017 wurden gegen den Betroffenen T M als Disponent der Verfahrensbeteiligten, dem die Aufgabe oblag, in der C. GmbH dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrer die Bestimmungen der Fahrpersonalverordnung (FPersV), des Fahrpersonalgesetzes (FPersG), der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) einhalten, wegen fahrlässiger Zuwiderhandlungen nach §§ 8 Abs. 1, 8a Abs. 4 FPersG und § 22 Abs. 2 ArbZG i. V. m. § 30 Abs. 1 OWiG, vier Geldbußen in Höhe von je 200 € festgesetzt. In der Anlage zum Bußgeldbescheid sind die Verstöße gegen die vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen, begangen von insgesamt 12 angestellten Fahrern der Firma, im Einzelnen aufgelistet:
- Verstoßliste 1
12 Zuwiderhandlungen gegen § 20 Abs. 2 FPersG
- Verstoßliste 2
75 Zuwiderhandlungen gegen Art. 8 Abs. 2 oder 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (tägliche Ruhezeit von mindestens 9 Stunden wurde innerhalb eines Bezugszeitraumes von 24 Stunden unterschritten)
23 Zuwiderhandlungen gegen Art. 7 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006
31 Zuwiderhandlungen gegen Art. 8 Abs. 2 oder 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (tägliche Ruhezeit von mindestens 11 Stunden wurde innerhalb eines Bezugszeitraumes von 24 Stunden unterschritten)
2 Zuwiderhandlungen gegen Art. 8 Abs. 2 oder 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (tägliche Ruhezeit von mindestens 9 Stunden wurde innerhalb eines Bezugszeitraumes von 30 Stunden unterschritten - Mehrfahrerbesatzung)
32 Zuwiderhandlungen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006
1 Zuwiderhandlung gegen Art. 32 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 165/2014
2 Zuwiderhandlungen gegen Art. 7 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006
2 Zuwiderhandlungen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006
- Verstoßliste 3
2 Zuwiderhandlungen gegen § 20 Abs. 1 Satz 3 FPersV
- Verstoßliste 4
98 Zuwiderhandlungen gegen § 3 ArbZG
47 Zuwiderhandlungen gegen § 4 ArbZG (Ruhepause nicht rechtzeitig gewährt)
1 Zuwiderhandlung gegen § 4 ArbZG (nach Tagesarbeitszeit von mehr als 9 Stunden wurde keine oder keine ausreichende Ruhepause von mindestens 45 Minuten eingelegt).
Gegenstand dieses Bußgeldbescheids ist darüber hinaus die Festsetzung von Geldbußen - in Höhe von 2.237,50 €, 17.695,00 €, 362,50 € und 6.456,25 € - nach § 30 Abs. 1 OWiG gegen die am Verfahren beteiligte C. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer U K.
Gegen diese Bußgeldbescheide legten sowohl der Betroffene M. als auch die verfahrensbeteiligte GmbH jeweils fristgerecht Einspruch ein.
Nachdem mehrere zur - gemeinsamen - Verhandlung anberaumte Termine wieder aufgehoben werden mussten, entschied das Amtsgericht Mühlhausen, bei dem das Verfahren seit dem 10.08.2017 anhängig war, (nur) gegen den Betroffenen M. auf dessen Anregung und mit dessen Zustimmung schließlich im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG und verhängte gegen ihn mit Beschluss vom 08.11.2017 vier Geldbußen in Höhe von jeweils 150,00 €. Dieser Beschluss erlangte am 16.11.2017 Rechtskraft.
In dem allein gegen die C. GmbH fortgesetzten Verfahren hat das Amtsgericht sodann aufgrund der Hauptverhandlung vom 13.03.2018 durch Urteil entschieden, dessen - bemerkenswerter - Tenor (der hier nicht vollständig wiedergegeben werden kann/soll) mit dem Satz eingeleitet wird:
"Der Betroffene ist der fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der Fahrpersonalverordnung, dem Fahrpersonalgesetz und dem Arbeitszeitgesetz in 4 Fällen schuldig." (Hervorh. d. d. Senat)
Sodann werden "Zuwiderhandlungen" für näher angegebene Zeiträume beschrieben, die (ohne eindeutige Bezeichnung der zahlungspflichtigen Person) mit Geldbußen von 2.237,50 €, 17.695,00 €, 362,50 € und 6.456,25 € "geahndet" werden.
Gegen dieses Urteil wendet sich die betroffene GmbH mit der durch ihren Verteidiger form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt und di...