Leitsatz (amtlich)
Weist die von den Polizeibeamten unmittelbar im Anschluss an eine Trunkenheitsfahrt durchgeführte Atemalkoholmessung einen Wert knapp oberhalb der die absolute Fahruntüchtigkeit markierenden Grenze von 1,1 Promille auf (1,26 Promille), ist jedenfalls zur Nachtzeit (0.40 Uhr) im Regelfall davon auszugehen, dass der mögliche Abbau der Blutalkoholkonzentration während der Zeitdauer bis zum Vorliegen einer richterlichen Entscheidung unweigerlich zu einem Beweisverlust führen wird; bei diesem Ermittlungsbild müssen die Polizeibeamten nicht zuvor den Versuch unternehmen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, ehe sie selbst wegen Gefahr im Verzug die Blutentnahme anordnen.
Normenkette
StPO § 81a Abs. 2
Verfahrensgang
AG Eisenach (Entscheidung vom 29.07.2009; Aktenzeichen 331 Js 12539/09 2 Ds) |
Tenor
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I. Am 29.07.2009 verurteilte das Amtsgericht Eisenach den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen zu je 20,00 EUR, ordnete die Einziehung des Führerscheins an, entzog die Fahrerlaubnis und wies die Verwaltungsbehörde an, dem Angeklagten vor Ablauf von weiteren sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 04.08.2009, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tage, Revision eingelegt.
Nachdem ihm das vollständig abgefasste Urteil vom 29.07.2009 am 14.09.2009 zugestellt und ihm zudem antragsgemäß Akteneinsicht gewährt worden war, hat der Angeklagte mit am 13.10.2009 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage die Revision mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte die Verwertung des Alkoholuntersuchungsbefundes betreffend die beim Angeklagten am 28.03.2009 gegen 1.20 Uhr entnommene Blutprobe. Der Verwertung dieses Alkoholuntersuchungsbefundes stehe ein Beweisverwertungsverbot entgegen, weil die Anordnung der Entnahme der Blutprobe durch Polizeibeamte und damit unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO erfolgt sei. Die Polizeibeamten hätten gar nicht erst den Versuch unternommen, über den Bereitschaftsdienst der Staatsanwaltschaft zumindest telefonisch mit dem zuständigen Richter Kontakt aufzunehmen. Sie hätten sich allein aufgrund einer im Landgerichtsbezirk Meiningen geltenden Dienstanweisung, wonach ein AAK-Wert von unter 1,6 Promille stets Gefahr in Verzug begründe, für anordnungsbefugt gehalten und deshalb keine Überlegungen dahingehend angestellt, welche Umstände im konkreten Einzelfall die von ihnen pauschal unterstellte Gefahr im Verzug begründen. Die Dienstanweisung im Landgerichtsbezirk Meiningen sei objektiv willkürlich, weil deren Annahme, die Polizei sei bei einem AAK-Wert von unter 1,6 Promille stets berechtigt, die Blutentnahme anzuordnen, die Besorgnis einer dauerhaften und ständigen Umgehung des Richtervorbehalts begründe.
Die Sachrüge hat der Angeklagte in allgemeiner Form erhoben.
Zu der Revision hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft am 12.11.2009 mit dem Antrag Stellung genommen, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Hierauf hat der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 02.12.2009 erwidert.
II. Die gem. § 335 Abs. 1 StPO statthafte Sprungrevision ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht, § 341 Abs. StPO, eingelegt und ebenso begründet worden, §§ 344, 345 StPO.
In der Sache hat sie keinen Erfolg.
1. Die auf die Missachtung eines Beweisverwertungsverbots gestützte Verfahrensrüge begründet die Revision nicht.
Es bestand bereits kein Beweiserhebungsverbot, denn die Voraussetzungen, unter denen ein Polizeibeamter die Entnahme der Blutprobe beim Angeklagten anordnen durfte, lagen vor.
Nach § 81a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter zu. Der Richtervorbehalt - auch der einfach-gesetzliche - zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehenden Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher grundsätzlich versuchen eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (BVerfG NJW 2007, 1345, 1346). Das Bestehen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung (BVerfG NJW 2007, 1345, 1346 m.w.N...