Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Scheidungsfolgenvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn die Parteien einen Ehescheidungsfolgenvergleich schließen, wonach die Ehefrau an den Ehemann zur Abgeltung der Folgesachen (Nachscheidungsunterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich) und des Trennungsunterhalts eine Abfindung zahlt, ist dieser darauf zu überprüfen, ob eine evident einseitige Lastenverteilung entsteht.
2. Auch wenn der nacheheliche Unterhalt bei dem streitgegenständlichen Vergleich nicht in die Berechnung eingeflossen ist, steht dies der Wirksamkeit nicht entgegen, wenn der Ehemann nicht dargelegt hat, dass er aufgrund einer Erkrankung eingeschränkt leistungsfähig sei.
3. Da es sich um eine Scheidungsfolgenvereinbarung handelt, bei der Vereinbarung und Scheitern der Ehe zusammenfallen, verbleibt kein Raum für die Ausübungskontrolle.
Normenkette
BGB §§ 138, 242, 1572 Nr. 1, § 1585c
Verfahrensgang
AG Gotha (Beschluss vom 27.12.2006; Aktenzeichen 19 F 695/06) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht veranlasst.
Gründe
I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Wege der Stufenklage auf Nachscheidungsunterhalt ab dem 1.7.2006 in Anspruch.
Der Antragsteller ist am 2.4.1945, die Antragsgegnerin am 19.4.1957 geboren. Die Parteien haben am 7.1.1988 die Ehe geschlossen; sie haben sich im Jahre 1997 getrennt. Die Ehe wurde durch Urteil des AG Erfurt vom 27.6.2001 geschieden (AG Erfurt, Az. 35 F 376/98). Aus der Ehe sind keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen.
Der Antragsteller, der gelernter Schuhfacharbeiter ist, hat sich 1969 zum Industriemeister qualifiziert und von 1987 bis 1990 als Gebäudereiniger gearbeitet. Die Eheleute L. eröffneten Anfang des Jahres 1990 einen Verkaufsstand (Kiosk in der Nähe des Hauptbahnhofs), den sie bis zum 31.3.1992 betrieben haben. Der Antragsteller war bei seiner Ehefrau angestellt. Im Anschluss daran gründete sie ein Ingenieurbüro, in dem der Antragsteller mithelfender Familienangehöriger war. Die Antragsgegnerin ist weiterhin als Diplomingenieurin im Rahmen ihres Berufes tätig.
Seit der Trennung der Parteien ist der Antragsteller arbeitslos; ein noch während der Dauer des Zusammenlebens gestellter Rentenantrag wegen Erwerbsunfähigkeit wurde abgelehnt.
Die Parteien haben am 27.6.2001 vor dem AG Erfurt folgenden Vergleich geschlossen:
"Die Antragstellerin (Ehefrau) zahlt an den Antragsgegner (Ehemann) zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche aus den anhängigen Folgesachen nachehelicher Ehegattenunterhalt und Zugewinn sowie zur Abgeltung des geltend gemachten Getrenntlebensunterhalts einen Betrag i.H.v. 30000 DM bis spätestens zum 30.7.2001. Soweit dieser Betrag nicht fristgerecht gezahlt wird, ist der dann noch ausstehende Betrag mit 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen.
Die Antragstellerin verzichtet unter Berücksichtigung der im heutigen Termin vergleichsweisen Einigung sowie unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des Antragsgegners auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche aus dem öffentlich - rechtlichen Versorgungsausgleich; der Antragsgegner nimmt diesen Verzicht an".
Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe sowohl aufgrund seines Alters als auch seiner Erwerbslosigkeit einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Er sei chronisch krank. Bei ihm sei am 16.6.2006 folgende Diagnose gestellt worden: "gesichert Migränoide Spannungskopfschmerzen, Zustand nach Schädelhirntrauma und posttraumatische Kopfschmerzen".
Es sei richtig, dass die Parteien sich anlässlich des Scheidungstermins verglichen hätten. Er habe damals einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit/Erwerbslosigkeit geltend gemacht. Der nunmehrige Antrag werde auf die neue Tatsache gestützt, dass er Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Alters habe. Er sei am 2.4.1945 geboren, also 61 Jahre alt. Er sei vom Arbeitsamt "ausgesteuert, beziehe keine Rente, sondern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Sozialhilfe)". Der entsprechende Bescheid befinde sich bereits in der PKH - Akte; im Übrigen seien seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bestritten.
Darüber hinaus sei die vom Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vertretene Rechtsauffassung zu § 134 BGB falsch. Gemäß § 1614 Abs. 1 BGB, der auch für die Unterhaltsansprüche von Ehegatten gelte, sei ein wirksamer Verzicht für die Zukunft nicht möglich. Einmalzahlungen seien ebenfalls unwirksam. Die staatlichen Leistungen aus dem SGB seien subsidiär zur gesetzlichen Unterhaltspflicht. Er brauche sich nicht auf Sozialhilfe verweisen zu lassen, solange die Antragsgegnerin leistungsfähig sei. Dies sei unbestritten, so dass sie auch zur Unterhaltszahlung verpflichtet sei.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, in dem Ehescheidungsverfahren hätte der Antragsteller mit im Wesentlichen gleicher Begründung nachehelichen Unterhalt verlangt. Die Parteien hätten in...