Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Die in der Versäumung der Ausschlagungsfrist liegende Annahme der Erbschaft kann wegen Irrtums angefochten werden, wenn der als Erbe Berufene die Erbschaft in Wirklichkiet nicht hat annehmen wollen und die Ausschlagungsfrist nur deshalb versäumt hat, weil er davon ausging, bereits jegliche Rechte am Nachlass des Erblassers verloren zu haben.
Normenkette
BGB § 1956
Verfahrensgang
AG Heilbad Heiligenstadt (Beschluss vom 28.12.2010; Aktenzeichen VI 371/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG - Nachlassgerichts - Heilbad Heiligenstadt vom 28.12.2010 - VI 371/10, abgeändert und der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2. abgelehnt.
Eine Kostenerstattung zwischen den Beteiligten findet nicht statt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Am 5.8.1991 verstarb der Erblasser, ohne eine letztwillige Verfügung hinterlassen zu haben. Der Erblasser war verheiratet mit der am 4.2.2009 verstorbenen M. D.. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die Eltern des Erblassers sind vorverstorben. Der Beteiligte zu 1) ist der Bruder des Erblassers. Zwei weitere Geschwister des Erblassers sind ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorben.
Der Beteiligte zu 1) ist unter dem 31.8.2010 zur Aufklärung der Erbfolge nach dem Erblasser durch das Nachlassgericht angeschrieben worden und hat so erstmals erfahren, dass sein Bruder verstorben ist und er zum Kreis der gesetzlichen Erben gehört (vgl. Bl. 18 d.A.). Mit einem am 10.9.2010 bei Gericht eingegangenen Schreiben wies der Beteiligte zu 1) darauf hin, dass er beim Tode seiner Eltern zugunsten seines Bruders (des Erblassers) auf seinen Erbteil verzichtet habe, ein Anrecht auf das Erbe nach seinem Bruder stehe ihm nicht zu. Er werde keinen Antrag auf das Erbe stellen (vgl. Bl. 31 d.A.).
Unter dem 15.9.2010 wandte sich das Nachlassgericht erneut an den Beteiligten zu 1) und wies nochmals darauf hin, dass der Beteiligte zu den gesetzlichen Erben des Erblassers gehöre. Eine Ausschlagungserklärung oder ein wirksamer Erbverzicht liege nicht vor (vgl. Bl. 33 d.A.).
Am 3.11.2010 beantragte der Freistaat Thüringen - vertreten durch die Thüringer Landesfinanzdirektion Erfurt - die Erteilung eines Erbscheines nach dem Erblasser, der die von dem Freistaat beerbte Ehefrau des Erblassers als Erbin zu ¾ Anteil und den Beteiligten zu 1) als Erben zu ¼ Anteil ausweist.
Eine Abschrift des Erbscheinsantrages ist am 17.11. 2010 zum Zwecke der Zustellung an den Beteiligten zu 1) zur Post aufgegeben worden.
Durch notarielle Urkunde vom 25.11.2010, bei Gericht eingegangen am 2.12.2010, hat der Beteiligte zu 1) die Anfechtung der Annahme der Erbschaft nach dem Erblasser erklärt und diese zugleich ausgeschlagen (Bl. 39 f. d.A.). Er sei aufgrund seines Schreibens an das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass er mit dem Nachlass seines Bruders nichts zu tun habe. Erst durch den Erbscheinsantrag der Thüringer Landesfinanzdirektion habe er erfahren, dass er nach wie vor gesetzlicher Erbe seines Bruders sei.
Das AG - Nachlassgericht - Heilbad Heiligenstadt hat am 28.12.2010 beschlossen, dass es die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, der Beteiligte zu 1) habe die Erbschaft weder fristgemäß ausgeschlagen noch habe er die Annahme der Erbschaft fristgemäß angefochten. Die sechswöchige Anfechtungsfrist habe mit Erhalt des den Beteiligten zu 1) über seine fortdauernde Erbenstellung aufklärenden Schreibens vom 15.9.2010 begonnen und sei daher im Zeitpunkt der Anfechtung der Annahme gegenüber dem Nachlassgericht (2.12.2010) bereits abgelaufen gewesen.
Gegen den ihm am 11.1.2011 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) am 14.1.2011 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, das Schreiben des AG Heilbad Heiligenstadt vom 15.9.2010 nicht erhalten zu haben. Zum Beweis seiner Behauptung hat der Beteiligte zu 1) eine schriftliche Versicherung an Eides statt (vgl. Bl. 50 d.A.) abgegeben.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. 1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss nach § 352 Abs. 1, 2 FamFG ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden, §§ 63, 64 FamFG.
2. Der Rechtsbehelf hat auch in der Sache Erfolg. Er führt zur Abänderung des angefochtenen Feststellungsbeschlusses nach § 352 Abs. 1 FamFG und zur Ablehnung des Erbscheinsantrages des Antragstellers. Entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts hat der Beteiligte zu 1) die Versäumung der Ausschlagungsfrist wirksam nach § 1956 BGB angefochten und durch die darin liegende Ausschlagung (§ 1957 Abs. 1 BGB) seine Erbenstellung rückwirkend beseitigt.
a. Zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 1) als Bruder des Erblassers zunächst gesetzlicher Erbe (§§ 19...