Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafvollstreckung. Konzentrationsprinzip. Unterbrechung der Strafvollstreckung. Halbstrafenaussetzung. Reststrafenaussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. § 454b Abs. 3 StPO ist entsprechend auf Halbstrafengesuche nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB anzuwenden.
2. Auch über die Aussetzung einer Strafe zum Halbstrafenzeitpunkt gem. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist erst bei Aussetzungsreife aller zu vollstreckenden Freiheitsstrafen zu entscheiden.
Normenkette
StGB § 57; StPO § 454b Abs. 3; EGGVG §§ 23 ff.; StrVollstrO §§ 21, 43 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Erfurt (Entscheidung vom 03.06.2011; Aktenzeichen StVK 137/11) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird mit folgenden Maßgaben verworfen:
a) Der Beschluss der des Landgerichts vom 3.6.2011 wird aufgehoben.
b) Der Antrag auf Aussetzung der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 18.4.2008 nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wird zurückgewiesen.
2. Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts Merseburg vom 7.12.2005 zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az.: 715 Js 25723/05).
Durch Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 18.4.2008 wurde er sodann in hiesiger Sache zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt (Az.: 120 Js 52171/07).
Wegen dieser Verurteilung widerrief das Amtsgericht Sondershausen mit Beschluss vom 27.11.2008 die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Merseburg (Az.: 1 BRs 46/06).
Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen begann am 17.10.2008. Unter Berücksichtigung der in dieser Sache erlittenen Untersuchungshaft wird der Verurteilte am 1.7.2012 zwei Drittel der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe verbüßt haben. Die weitere Vollstreckung dieser Strafe soll zu diesem Zeitpunkt zugunsten der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Merseburg in Verbindung mit dem Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Sondershausen unterbrochen werden. In dieser weiteren Sache werden zwei Drittel der verhängten Strafe am 21.10.2012 vollstreckt sein. Am 1.1.2013 wird er diese und am 14.6.2015 die Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen vollständig verbüßt haben.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14.1.2011 hat der Verurteilte im hiesigen Verfahren beantragt, "zum einen beide nebeneinander vollstreckende Strafen zusammenzuziehen und ... nach Verbüßung der Halbstrafe die Strafvollstreckung der Restfreiheitsstrafe zu erlassen und die weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen."
Die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Erfurt hat den Verurteilten am 3.6.2011 in beiden Verfahren in Anwesenheit seines Verteidigers angehört. Dabei ging es um das Vorliegen besonderer Umstände i.S.d. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB ebenso wie um die Frage der Prognose.
Mit Beschlüssen vom nämlichen Tage hat die Kammer die Restfreiheitsstrafen aus den genannten Verurteilungen jeweils nicht zur Bewährung ausgesetzt. Die Beschlüsse sind dem Verteidiger am 29.6.2011 zugestellt worden.
Mit am nämlichen Tage eingegangenen Schriftsätzen seines Verteidigers vom 6.7.2011 hat der Verurteilte gegen die Beschlüsse jeweils sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 25.7.2011 in hiesiger Sache, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache im Ergebnis ohne Erfolg.
Der Antrag vom 14.1.2011 ist jedenfalls unter Berücksichtigung der Erörterungen im Anhörungstermin vor der Kammer vom 3.6.2011 als ein solcher auf Reststrafenaussetzung nach Verbüßung der Hälfte der gegen den Verurteilten mit Urteil des Landgerichts Mühlhausen verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten auszulegen.
Über diesen Antrag hätte die Kammer nicht in der Sache entscheiden dürfen.
Er ist unzulässig, weil er der in § 454b Abs. 3 StPO vorgesehenen Verfahrenskonzentration widerspricht.
Nach dieser Norm darf im Falle der Anschlussvollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen eine gerichtliche Entscheidung über die Reststrafenaussetzung (§ 57 StGB) erst zu dem Zeitpunkt getroffen werden, in dem über die Aussetzung aller Freiheitsstrafen entschieden werden kann. Vorweggenommene Einzelentscheidungen sieht das Gesetz in diesem Falle nicht vor. Darauf gerichtete Anträge sind unzulässig (Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 454b Rz. 11).
§ 454b Abs. 3 ist vorliegend anwendbar.
Zwar betrifft er nach seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung nur die in § 454b Abs. 2 StPO genannten Fälle der Unterbrechung der Vollstreckung, für die Halbstrafenaussetzung dementsprechend nur den Fall des Erstverbüßerprivilegs nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Eine Reststrafenaussetzung zum Halbstrafentermin kommt vorliegend jedoch wegen der vom Landgericht M...