Leitsatz (amtlich)
1. Terminsreisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwaltes sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn eine vor dem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats erforderlich und sinnvoll ist.
2. Die Kosten eines am dritten Ort ansässigen Anwaltes sind über die fiktiven Reisekosten eines Anwaltes am Wohn- oder Geschäftsort hinaus nur in Ausnahmefällen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und erstattungsfähig, wenn es sich bei dem Streitstoff um eine schwierige Spezialmaterie handelt, die nur wenige spezialisierte Anwälte sicher beherren (Anschluss an Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 09.05.2011 - 9 W 211/11).
3. Die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts ist nicht notwendig, wenn ein Rechtsanwalt, der seinen Kanzleisitz am Gerichtsort hat, umfassend über das Streitverhältnis ins Bild gesetzt werden kann (Anschluss an Senat, Beschluss vom 03.09.2015 - 1 W 432/15).
4. Dass der Prozessbevollmächtigte "Hausanwalt" einer Haftpftlichversicherung ist, reicht allein für die Annahme einer "ausgelagterten Rechtsabteilung" nicht aus (Anschluss an Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 09.05.2011 - 9 W 211/11).
5. Nach § 16 Nr. 2 RVG ist das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, eine Angelegenheit; dies gilt unabhängig von dem konkreten Ablauf des Prozesskostenhilfeverfahrens (Anschluss an OLG Köln, Beschluss vom 25.07.2005 - 25 WF 105/05).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1, § 91 S. 2; RVG-VV Nrn. 7003, 7005
Verfahrensgang
LG Gera (Beschluss vom 18.06.2015; Aktenzeichen 4 O 1483/11) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Gera vom 18.06.2015, Az. 4 O 1483/11 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 537,10 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Nach dem Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts vom 15.04.2015 hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Mit Schriftsatz vom 06.01.2014 beantragte der Beklagte die Festsetzung seiner in der I. Instanz entstandenen Kosten in einer Gesamthöhe von 6.329,70 EUR. Der Beklagte legte bei der Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren die seit dem 01.08.2013 geltenden Gebührensätze zugrunde und beantragte zudem u.a. Fahrtkosten des Prozessbevollmächtigten in einer Höhe von 52,20 EUR.
Mit Beschluss vom 18.06.2015 setzte die Rechtspflegerin die zu erstattenden Kosten für die I. Instanz auf 5.792,60 EUR fest. Dabei legte die Rechtspflegerin die Gebührensätze vor dem 01.08.2013 zugrunde, weil die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vor diesem Zeitpunkt erfolgt ist. Zudem wurden die Fahrtkosten auf 27,60 EUR abgesetzt. Der Beklagte hätte einen Rechtsanwalt an seinem Wohnsitz beauftragen können.
Gegen den dem Beklagten am 09.07.2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Beklagte. Erhält die Gebührensätze nach dem 01.08.2013 für anwendbar. Zudem seien die Fahrtkosten in voller Höhe festzusetzen. Es habe sich um eine Notarregressache gehandelt. Das Direktions-/Weisungsrecht habe der Haftpflichtversicherung zugestanden.
Mit Beschluss vom 02.03.2016 hat die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO, § 11 RPflG.
In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
Nach § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO umfasst die Kostenerstattung auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis und entstandenen Reisekosten.
Regelmäßig handelt es sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn eine vor dem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats erforderlich und sinnvoll ist. In einem solchen Fall sind die Terminsreisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt grundsätzlich erstattungsfähig (Senat, Beschluss vom 03.09.2015 - 1 W 432/15 mwN).
Vorliegend hat die Klägerin allerdings keinen an ihrem Sitz niedergelassenen Rechtsanwalt beauftragt, sondern einen Rechtsanwalt, der am sogenannten dritten Ort niedergelassen ist. Die Kosten eines am dritten Ort ansässigen Anwalts sind über die fiktiven Reisekosten eines Anwalts am Wohn- oder Geschäftsort hinaus nur in Ausnahmefällen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und erstattungsfähig (Thüringer Oberla...