Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer vorläufigen Anordnung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Eine ohne entsprechenden Verfahrensantrag eines Beteiligten erlassene amtsgerichtliche Entscheidung, mit der dem sorgeberechtigten Elternteil ein Teilbereich der elterlichen Sorge (hier Aufenthaltsbestimmungsrecht) vorläufig entzogen und dem Jugendamt übertragen wurde, ist in der Regel als der einfachen Beschwerde nach den §§ 19, 20 FGG unterliegende vorläufige Anordnung auszulegen.
2. Beruht eine derartige Entscheidung auf einer Häufung gravierender Verfahrensfehler (keine schriftliche oder mündliche Anhörung eines Beteiligten, keine Begründung), rechtfertigt dies grundsätzlich die Aufhebung und Zurückverweisung. Liegen indessen die Voraussetzungen für den Teilentzug der Sorge (§ 1666 BGB) bereits nach Aktenlage unzweifelhaft nicht vor, kann sich das Beschwerdegericht auf die ersatzlose Aufhebung beschränken.
Leitsatz (redaktionell)
1. Vorläufige Anordnungen in Familiensachen sind unter der Voraussetzung zulässig, dass ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet.
2. Für einen vorläufigen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts gelten gem. § 1666 BGB besonders hohe Anforderungen. Eine vorläufige Maßnahme kommt nur dann in Betracht, wenn sie zum Wohle des Kindes unumgänglich ist und eine Eilbedürftigkeit besteht, die eine vorläufige Entscheidung dringend erforderlich macht. Vorläufige Ermittlungsergebnisse müssen eine solche Sofortmaßnahme zwingend gebieten.
Normenkette
ZPO § 621g; FGG §§ 19-20; BGB §§ 1666, 1666a
Verfahrensgang
AG Weimar (Beschluss vom 16.06.2005; Aktenzeichen 9 F 42/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - FamG - Weimar vom 16.6.2005 ersatzlos aufgehoben.
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
I. Die Parteien, die mehrere Jahre in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebten, streiten um das Umgangsrecht des Antragstellers mit den Kindern Th.R., geb. am 4.2.1999 und N.L.R., geb. am 31.2.2002.
Weiterhin streitig zwischen den Parteien ist die Frage, ob der Antragsteller der Vater des Kindes N.L. ist. Nachdem der Antragsteller die Vaterschaft am 27.1.2005 anerkannte, verweigerte die Antragsgegnerin ihre Zustimmung hierzu; der Antragsteller erhob Vaterschaftsfeststellungsklage vor dem AG Weimar (Az.: 9 F 54/05).
Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller im Januar 2005 die Regelung des Umgangs mit den Kindern Th. und N. beantragt.
Nach mündlicher Verhandlung am 3.2.2005 ordnete das AG mit Beschl. v. gleichen Tag zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang des Antragstellers mit den beiden Kindern vorläufig dahingehend an, dass der Antragsteller bis zu einer Hauptsacheentscheidung befugt sein sollte, die Kinder jedes zweite Wochenende am Ende einer ungeraden Woche von Freitags 12.00 Uhr bis Sonntagabends 19.00 Uhr zu sich zu nehmen. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Herausgabeverpflichtung wurde der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld angedroht.
Nachdem es in der Folgezeit aus von den Parteien unterschiedlich geschilderten Gründen nicht zur Durchführung des Umgangs kam, beantragte die Kindesmutter die Aufhebung der vorläufigen Besuchsregelung bzw. eine Änderung dahingehend, dass zunächst nur ein begleiteter Umgang erfolgen solle.
Der Antragsteller beantragte Zwangsgeldfestsetzung mit der Begründung, die Kindesmutter vereitele den angeordneten Umgang. Die Antragstellerin hat dies in Abrede gestellt und ausgeführt, die Kinder seien am Umgangswochenende erkrankt gewesen, was sie auch durch Atteste belegt habe.
Mit Schriftsatz vom 17.3.2005 beantragte der Antragsteller, ihm die elterliche Sorge für die beiden Kinder zu übertragen. Zur Begründung führte er aus, dass die Kinder durch die beharrliche Weigerung der Kindesmutter, ihm den Umgang zu gewähren, bereits einen erheblichen Schaden davongetragen hätten. Sie litten bereits an der sog. Elternentfremdung (Parental Alienation Syndrome). Da die Antragsgegnerin somit ihre elterliche Sorge missbrauche, sei sie ihr zu entziehen und auf den Antragsteller zu übertragen.
Nach Bestellung einer Verfahrenspflegerin für die Kinder und Beteiligung der Jugendämter fand am 28.4.2005 ein weiterer Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem AG Weimar statt, in dem die Beteiligten angehört wurden. Im Anschluss trafen die Parteien eine Umgangsvereinbarung, wonach der Antragsteller den Umgang mit den Kindern an jedem 2. Samstag im Monat zwischen 9.00 und 18.00 Uhr pflegen sollte und die Kinder Dienstags und Donnerstags zwischen 18.30 und 19.00 Uhr anrufen darf. Diese Vereinbarung wurde familiengerichtlich genehmigt.
Neuer Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf den 30.6.2005 anberaumt.
Am 8.6.2005 beantragte der Antragsteller, die Vereinbarung vom 28.4.2005 aufzuheben. Die Antragsgegnerin halte sich nicht an die Vereinbarung und...