Leitsatz (amtlich)
Auch wenn der Wiedereinsetzungsgrund in einer fehlerhaften Sachbehandlung durch die Justiz liegt, kann Wiedereinsetzung erst gewährt werden, wenn die versäumte Handlung (hier: Revisionsbegründung) nachgeholt worden ist. Die Frist zur Nachholung der versäumten Handlung beträgt auch in diesem Fall 1 Woche.
Verfahrensgang
LG Gera (Entscheidung vom 31.01.2018; Aktenzeichen 7 Ns 664 Js 25540/15) |
Tenor
Der Angeklagte wird darauf hingewiesen, dass ihm Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 31.01.2018 gewährt werden kann, wenn er innerhalb einer Frist von einer Woche, die mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt, die Revision formgerecht begründet.
Gründe
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Gera vom 23.03.2016 wurde der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 12 € verurteilt. Gegen dieses Urteil legten der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung ein.
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft änderte das Landgericht Gera am 31.01.2018 das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 23.03.2016 dahingehend ab, dass der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt wird, von denen 30 Tagessätze als vollstreckt gelten. Die Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete und ihm am 03.03.2018 zugestellte Urteil legte der Angeklagte am 07.02.2018 Revision ein. Am 03.04.2018 begründete er die Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts G---. Das am selben Tag beim Landgericht eingegangene Protokoll enthält unter "Gründe" folgende Angaben:
"Als Begründung für die eingelegte Revision beziehe ich mich vollumfänglich auf die in Anlage 1 (17 Seiten) zu diesem Schreiben gemachten Ausführungen."
Es folgen die Unterschriften des Angeklagten (als Antragsteller bezeichnet) und der Rechtspflegerin. Weiter heißt es - gefolgt von nochmaligen Unterschriften des Angeklagten und der Rechtspflegerin:
"Der Erschienenen wurde ferner darüber belehrt, dass die unterzeichnende Rechtspflegerin lediglich als Protokollbeamtin fungiert. Eine Aussage über die rechtliche Bewand(t)nis der Erklärung kann nicht getroffen werden."
Mit Schreiben des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 03.04.2018 wurde der Angeklagte darauf hingewiesen, dass die Revision nicht in der nach § 345 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Form angebracht worden sei, weil zur Begründung der Revision ausschließlich auf ein eigenes Schreiben des Angeklagten Bezug genommen worden sei. Dem Angeklagten wurde - ohne Hinweis auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung und die hierfür maßgeblichen Fristen - "Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von 2 Wochen" gegeben.
Mit Schreiben vom 18.04.2018 äußerte sich der Angeklagte und beantragte "hilfsweise und vorsorglich" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit der Anregung, "eine neue Frist so zu bemessen, dass dem Revisionsführer ohne Endausschöpfung der Frist eine Restzeit verbleibt, wonach er sich vom Gericht die dann geforderte Form eingehalten zu haben, noch erfragen kann."
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat die Sache mit Stellungnahme vom 07.06.2018 dem Senat zur Entscheidung mit dem Antrag vorgelegt, dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
II.
Der Angeklagte ist zunächst in ordnungsgemäßer Form über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die versäumte Revisionsbegründungsfrist zu belehren, nachdem die Revision innerhalb der ursprünglichen Begründungsfrist ohne sein Verschulden bzw. aufgrund fehlerhafter Sachbehandlung im Verantwortungsbereich der Justiz nicht formwirksam begründet wurde. Dagegen scheidet eine unmittelbare Gewährung der Wiedereinsetzung - wie von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt - zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus, weil sie gem. § 45 Abs. 2 StPO voraussetzen würde, dass der Angeklagte auch die versäumte Handlung - hier: die Revisionsbegründung - bereits in ordnungsgemäßer Form nachgeholt hätte.
1.
Der Angeklagte hätte seine Revision gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO spätestens bis zum 03.04.2018 in der Form des § 345 Abs. 2 StPO begründen müssen. Dies ist aus Gründen, die maßgeblich im Verantwortungsbereich der Justiz liegen, nicht geschehen.
Abgesehen davon, dass die Rechtspflegerin des Amtsgerichts G--- die Revisionsbegründung gegen ein Urteil des Landgerichts Gera schon mangels Zuständigkeit nicht hätte aufnehmen dürfen, sondern den Angeklagten an den Rechtspfleger bei dem Landgericht Gera - dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird - hätte verweisen müssen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 345 Rdnr. 19), ist die am 03.04.2018 zur Akte gelangte Revisionsbegründung schon deshalb formunwirksam, weil es sich dabei nicht um eine Protokollierung i. S. d. § 345 Abs. 2 StPO handelt, die Re...