Entscheidungsstichwort (Thema)
Volljährigenunterhalt: Anrechnung des Erwerbseinkommens eines Studierenden. Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen Verschweigens der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anrechnung des Erwerbseinkommens eines Studierenden vollzieht sich in Anwendung des § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB nach Billigkeitsgesichtspunkten.
2. Verschweigt ein volljähriges Kind die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit neben dem Studium, kann darin eine schwere Verfehlung liegen, die zur Beschränkung des Unterhaltsanspruches nach § 1611 Abs. 1 BGB führt.
Normenkette
BGB § 1577 Abs. 2 S. 2, § 1611 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Jena (Urteil vom 07.03.2008; Aktenzeichen 47 F 378/06) |
Tenor
Der Klägerin wird für die Rechtsverfolgung in der Berufungsinstanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., bewilligt, soweit sie beantragt,
I. den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des am 7.3.2008 verkündeten Urteils des AG - Familiengericht - Jena, Az. 47 F 378/06, unter Abänderung der Urkunde des Jugendamtes des Saale-Holzland-Kreises vom 16.3.2001, Registernummer 248/2001, einen monatlichen jeweils zum 5. des laufenden Monats fälligen Unterhalt für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 31.3.2007 i.H.v. 83 EUR, für den Zeitraum vom 1.4.2007 bis 30.9.2007 i.H.v. 49 EUR, für den Zeitraum 1.10.2007 bis 31.12.2007 i.H.v. 136 EUR und ab dem 1.1.2008 i.H.v. 186 EUR jeweils zzgl. 154 EUR staatliches Kindergeld, zu zahlen, insoweit wird die Widerklage des Beklagten abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Klägerin Prozesskostenhilfe verweigert.
Gründe
I. Das AG hat durch Urteil vom 7.3.2008 den Beklagten verurteilt, in Abänderung der Urkunde des Jugendamtes des Saale-Holzland-Kreises vom 16.3.2001, Reg. Nr. 248/2001 an die Klägerin einen monatlichen Unterhalt für den Zeitraum 1.7.2006 bis 31.1.2007 i.H.v. 141 EUR zzgl. Kindergeldes i.H.v. 154 EUR monatlich zu zahlen. Auf die Widerklage des Beklagten hat das AG die Urkunde dahingehend abgeändert, dass der Beklagte der Klägerin ab dem 1.2.2007 keinen Unterhalt mehr schuldet.
Die Klägerin, geboren am 15.6.1984, ist die Tochter des Beklagten. Sie studiert im neunten Semester, davon im 8. Semester Sportwissenschaften an der FSU Jena und führt seit dem 1.1.2005 einen eigenen Haushalt.
Der Beklagte hat sich durch Urkunde des Jugendamtes des Saale-Holzland-Kreises vom 16.3.2001 (Reg.-Nr. 248/2001) verpflichtet, an die Klägerin 113,9 % des jeweiligen Regelbetrages gem. § 2 der RegelbetragVO abzgl. der gem. § 1612 Abs. 5 BGB anzurechnenden Kindergeldleistung, Zahlbetrag zuletzt 267,14 EUR zu zahlen.
Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 23.5.2006 aufgefordert, ab Mai 2006 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 513 EUR zu zahlen.
Die Mutter der Klägerin bezieht Erwerbsunfähigkeitrente i.H.v. 725,71 EUR, Wohngeld i.H.v. 90 EUR sowie Pflegegeld i.H.v. 200 EUR monatlich.
Der Beklagte hat als Werkstattmeister unstreitig in den letzten 12 Monaten vor Klageerhebung ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 2095,70 EUR erzielt, wovon berufsbedingte Fahrtkosten i.H.v. 218 EUR/Monat abzuziehen sind.
Die Klägerin hat Bafög-Leistungen ab April 2006 i.H.v. 295 EUR und ab April 2007 i.H.v. 329 EUR erhalten. Seit Oktober 2007 nimmt die Klägerin kein Bafög mehr in Anspruch, da dieses nunmehr aufgrund der Bezugsdauer nur auf Darlehensbasis gewährt wird.
Die Klägerin hat bis einschließlich Januar 2007 eine Aushilfstätigkeit in der Universitätsbibliothek mit einem Pauschalverdienst von 60 EUR/Monat ausgeübt. Ab dem 19.2.2007 hat sie auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages mit der Firma "C." gearbeitet. Sie hat in dem Zeitraum 19.2.2007 - 31.3.2008 2903,12 EUR, im Monatsdurchschnitt 207,36 EUR verdient. Die Klägerin hat ihre zusätzlichen Einkünfte erstmals im Termin vom 30.11.2007 vorgetragen.
Das AG hat Klage und Widerklage teilweise für begründet erachtet.
Das AG ist davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Abänderung der Unterhaltsurkunde des Jugendamtes des Saale-Holzland-Kreises vom 16.3.2001 dahin zusteht, dass der Beklagte ihr laufend 295 EUR monatlich (141 EUR Unterhalt zzgl. 154 EUR Kindergeld) von Juli 2006 bis einschließlich Januar 2007 zu zahlen hat, da für diesen Zeitraum eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten sei. Für den Zeitraum ab Februar 2007 entfalle eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten.
Eine wesentliche Veränderung sei bereits durch die Volljährigkeit der Klägerin eingetreten. Da die Klägerin einen eigenen Hausstand unterhalte, liege ihr Unterhaltsbedarf nach der Thüringer Tabelle (Fassung vom 1.7.2005 und 1.7.2007) bei 590 EUR monatlich. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gehe das AG davon aus, dass die Kindesmutter nicht leistungsfähig sei, so dass der Bedarf der Klägerin allein durch den Beklagten zu decken sei.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum von Juli 2006 bis Februar 2007 sei von Einkünften der Klägerin i.H.v. 295 EUR aus Bafög auszugehen.
Die von der Klägerin aus Aushilfstätigkeit bei der Uni-Bibliothek...