Leitsatz (amtlich)
1.
Ein Abweichen von der gesetzlichen Regelfolge beim Fahrverbot ist auch bei bloßer Verkürzung der Zeitdauer zu begründen. Allerdings sind insoweit nicht derart strenge Anforderungen wie beim völligen Absehen von einem nach § 4 BkatV indizierten Fahrverbot zu stellen.
2.
Das Höchstmaß der angedrohten Geldbuße für fahrlässiges Handeln kann auch dann nicht überschritten werden, wenn von der Anordnung einer Nebenfolge (hier: Fahrverbot) vollständig bzw. teilweise abgesehen wird. Grundsätzlich handelt es sich beim Ausspruch einer Geldbuße von mehr als 250,00 EUR nicht mehr um eine geringfügige Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz OWiG, bei der die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in der Regel unberücksichtigt bleiben. (vgl. u. a. Senatsbeschlüsse vom 04.11.2003, 1 Ss 120/03 und vom 23.09.2003, 1 Ss 215/03). Jedenfalls bei der Überschreitung der Regelgeldbuße - bei einer Regelgeldbuße nach dem Bußgeldkatalog von bis zu 500,00 EUR und fehlenden Anhaltspunkten für außergewöhnlich gute oder außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse sind ausnahmsweise keine weiteren Feststellungen erforderlich - ist es geboten, die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betroffenen aufzuklären und im Urteil mitzuteilen.
Verfahrensgang
AG Gera (Entscheidung vom 15.07.2004; Aktenzeichen 450 Js 202339/04 - 6 Owi) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerden wird der Beschluss des Amtsgerichts Gera vom 15.07.2004 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Gera zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Thüringer Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle - erließ gegen den Betroffenen am 28.01.2004 wegen einer am 04.10.2003 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 63 km/h einen Bußgeldbescheid, mit dem eine Geldbuße in Höhe von 275,00 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von 2 Monaten angeordnet wurde.
Auf den Einspruch des Betroffenen setzte das Amtsgericht Gera durch Beschluss vom 15.07.2004 wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße in Höhe von 800,00 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot, nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 a Abs. 1 StVG, fest.
Gegen den ihm am 29.07.2004 zugestellten Beschluss legte der Betroffene über seine Verteidiger Rechtsbeschwerde ein und begründete diese mit Einlegung. Der Betroffene rügt die Verletzung materiellen Rechts und führt zur Begründung aus, dass die Geldbuße fehlerhaft festgesetzt worden sei, da für eine fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit das Höchstmaß der Geldbuße 500,00 EUR betrage.
Unter dem 03.09.2004 erhob auch die Staatsanwaltschaft Gera gegen den Beschluss vom 15.07.2004 Rechtsbeschwerde. Dies geschah noch vor der am 09.09.2004 erfolgten Zustellung des Beschlusses. Mit am 16.09.2004 eingegangenem Schriftsatz begründete die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel, mit dem sie die Verletzung materiellen Rechts rügt und den Ausspruch eines lediglich einmonatigen Fahrverbotes sowie die Überschreitung der zulässigen Höchstgeldbuße für eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit beanstandet.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 02.11.2004 beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Gera vom 15.07.2004 mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Gera zurückzuverweisen.
II.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 09.11.2004 zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen, § 80 a Abs. 3 Satz 1 OwiG.
Die Rechtsbeschwerden des Betroffenen sowie der Staatsanwaltschaft sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden. Sie führen mit den erhobenen Sachrügen zu einem vorläufigen Erfolg.
1.
Auf die Rechtsbeschwerden war die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang zu überprüfen, da die Rechtsmittel nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurden.
Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist zwar nicht ausdrücklich erklärt. Sie ergibt sich aber daraus, dass beide Rechtsbeschwerdebegründungen nur Ausführungen zum Rechtsfolgenausspruch enthalten (vgl. Meyer/Goßner, StPO, 47. Aufl., § 344, Rn. 6). Der Wirksamkeit der Beschränkungen steht jedoch entgegen, dass Feststellungen zur Tat insgesamt fehlen, so dass der Senat die Rechtsfolgenentscheidung von vornherein nicht überprüfen (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 79, Rn. 32 m.w.N.) kann.
2.
Die Rechtsbeschwerden dringen mit der Sachrüge durch, denn die getroffenen Feststellungen tragen weder den Schuldspruch noch die Rechtsfolgenanordnung.
Im angefochtenen Beschluss wird in den Gründen ausschließlich ausgeführt:
"Der Betroffene hat die im Bußgeldbescheid des Thüringer Polizeiverwaltungsamtes - Zentrale Bußgeldstelle - vom 28.01.2004 festgestellte Ordnungswidrigkeit ein...