Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungswidrigkeiten. Fahrverbot. existenzgefährdendes Fahrverbot. Existendgefährung. Verkehr. wirtschaftliche Verhältnisse
Leitsatz (amtlich)
Eine eingehende Erörterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen kann erforderlich werden, wenn das Gericht ein Absehen vom Regelfahrverbot wegen Existenzgefährdung mit der Begründung ablehnt, der als Alleinunternehmer tätige Betroffene könne während der Dauer des dreimonatigen Fahrverbots einen Fahrer einstellen.
Normenkette
StVG § 25; OWiG § 17
Verfahrensgang
AG Stadtroda (Entscheidung vom 11.02.2010; Aktenzeichen 420 Js 35554/09 - 93 OWi) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Stadtroda vom 11.02.2010 wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Stadtroda zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
I. Dem Betroffenen wird vorgeworfen, am 23.05.2009 gegen 04.32 Uhr auf der Bundesautobahn 9 in Richtung Berlin bei Kilometer 187,0 als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen M die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 82 km/h überschritten zu haben. Wegen dieser Verkehrsordnungswidrigkeit wurden mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle der Thüringer Polizei vom 04.08.2009 gegen den Betroffenen eine Regelgeldbuße von 600,- € und ein Regelfahrverbot von 3 Monaten und damit die nach der Bußgeldkatalogverordnung für eine fahrlässige Geschwindigkeitsübertretung vorgesehenen Sanktionen festgesetzt.
Auf den hiergegen form- und fristgerecht erhobenen Einspruch des Betroffenen hat ihn das Amtsgericht Stadtroda am 11.02.2010 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 82 km/h zu einer erhöhten Geldbuße von 1.000,- € und einem dreimonatigen Regelfahrverbot verurteilt.
Mit am 18.02.2010 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers hat der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen das Urteil erhoben und diese nach Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils am 17.03.2010 am 19.04.2010 mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Mit der Sachrüge beanstandet der Betroffene insbesondere, dass die Annahme einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsübertretung nicht gerechtfertigt sei. Auch enthalte das Urteil nur unzureichende Feststellungen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen. Deren Ermittlung sei nicht nur wegen der Höhe der verhängten Geldbuße erforderlich gewesen. Vielmehr hätte der Tatrichter auch im Hinblick auf die im Urteil erwogene Möglichkeit der Überbrückung des für ihn als selbständigen Alleinunternehmer im Baugewerbe existenzbedrohenden dreimonatigen Fahrverbots durch Anstellung eines Fahrers prüfen müssen, ob seine wirtschaftlichen Verhältnisse dies überhaupt erlaubten, was nicht der Fall sei.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 09.08.2010 beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthaft, form- und fristgerecht erhoben und mit der erhobenen Sachrüge form- und fristgerecht begründet.
2. Sie hat in der Sache insoweit einen (vorläufigen) Teilerfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch führt.
a) Dagegen ist das angefochtene Urteil im Schuldspruch nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen in der dem Verteidiger des Betroffenen übermittelten Stellungnahme der Thüringer Generalsstaatsanwaltschaft verwiesen, denen sich der Senat anschließt.
Insbesondere ist der Senat mit der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft der Auffassung, dass der Tatrichter rechtsfehlerfrei von einem vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoß ausgegangen ist. Hierzu ist in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Verkehrszeichen 274, welche die Geschwindigkeit an der - senatsbekannt im Bereich des Hermsdorfer Kreuzes liegenden - Messstelle auf 100 km/h begrenzen, beidseitig der Richtungsfahrbahn des Betroffenen vor der bei km 187,0 liegenden Messstelle an gleich zwei aufeinanderfolgenden Stellen, und zwar bei km 189,0 und bei km 187,7, aufgestellt sind. Im Hinblick darauf hat es der Tatrichter auch unter Berücksichtigung der zum Tatzeitpunkt herrschenden Dunkelheit für ausgeschlossen gehalten, dass der Betroffene - was er ausweislich des Urteils auch nicht behauptet hat - die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung übersehen habe, wobei er auch darauf abgestellt hat, dass allgemein bekannt sei, dass "an derart stark befahrenen Autobahnkreuzen in ganz Deutschland Geschwindigkeitsbeschränkungen vorhanden sind" und eine derart große Geschwindigkeitsüberschreitung wie die vorliegende eine vorsätzliche Begehungsweise indiziert. Dies ist nicht zu bemängeln, zumal umgekehrt die Annahme bloßer Fahrlässigkeit bei einer solch ungewöhnlich großen Überschreitung der höchstzulässig...