Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Untreuestrafbarkeit des Alleingeschäftsführers einer 100%igen Eigengesellschaft einer Thüringer Kommune wegen einer im Einvernehmen mit deren Oberbürgermeister erklärten Haftungsübernahme zugunsten einer anderen finanziell notleidenden GmbH, an der die Kommune beteiligt ist.
2. Der Geschäftsführer einer GmbH handelt auch im Falle wirtschaftlich nachteiliger und nicht mit dem Gesellschaftszweck in Einklang stehender Dispositionen objektiv dann nicht pflichtwidrig, wenn er aufgrund eines - wirksamen - Einverständnisses der Gesellschafter vorgeht.
3. Das Einverständnis der Gesellschafter der GmbH mit dem Handeln ihres Geschäftsführers ist allerdings strafrechtlich unbeachtlich, wenn es auf Willensmängeln beruht oder gesetzeswidrig oder missbräuchlich erteilt wurde. Letzteres ist der Fall, wenn unter Verstoß gegen auch Gläubigerinteressen dienenden Rechtsvorschriften die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, indem etwa die Kapitalerhaltungsregel des § 30 Abs. 1 GmbHG missachtet, eine Überschuldung der Gesellschaft herbeigeführt oder vertieft oder deren Liquidität unmittelbar existenzbedrohend gefährdet wird.
4. Diese Grundsätze sind auch anwendbar, wenn es sich um eine kommunale GmbH mit einem fakultativen Aufsichtsrat handelt, deren Alleingesellschafterin eine Stadt ist.
5. Ob ein die Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers ausschließendes wirksames Einverständnis des Alleingesellschafters einer GmbH vorliegt, ist für eine 100%ige kommunale Eigengesellschaft, also eine GmbH, deren Alleingesellschafterin eine Stadt ist, prinzipiell nicht anders zu beurteilen, als für eine GmbH, deren Alleingesellschafter eine natürliche Person oder eine juristische Person des Privatrechts ist.
6. Die eine gravierende Pflichtverletzung i.S.d. § 266 StGB ausschließende Wirkung des Einverständnisses des Oberbürgermeisters als alleinigem gesetzlichem Außenvertreter der Stadt mit der Haftungsübernahme durch die kommunale GmbH wird nicht dadurch aufgehoben, dass dieser nach kommunalrechtlichen Vorschriften der Stadtrat hätte zustimmen müssen.
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Beschluss vom 23.03.2010; Aktenzeichen 550 Js 47243/06 - 9 KLs) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt die Staatskasse.
Gründe
I. 1. Mit Anklageschrift vom 16.09.2009 (Bd. II HA, Bl. 474 ff.), beim Landgericht Mühlhausen eingegangen am 04.11.2009, hat die Staatsanwaltschaft Mühlhausen dem Angeschuldigten Untreue in besonders schwerem Fall gemäß §§ 266 Abs. 1 und Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alternative StGB zur Last gelegt.
Diesen Straftatbestand soll der Angeschuldigte nach der Anklageschrift konkret dadurch verwirklicht haben, dass er als Alleingeschäftsführer der xxx-GmbH (im Folgenden: xxx-GmbH) für diese am 08.09.1998 mit zehn vollstreckbaren notariellen Urkunden die persönliche Haftung für die Zahlung von Grundschuldbeträgen in Höhe von insgesamt etwa 9,6 Mio. DM (4,9 Mio. Euro) aus Grundschulden übernahm, welche die xxx-GmbH (im Folgenden: xxx-GmbH) der xxx (im Folgenden: xxx) bewilligte. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Grundschuldbeträge:
1. 440.800 DM (Bd. II BMO, Bl. 222 ff.)
2. 378.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 233 ff.)
3. 380.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 243 ff.)
4. 420.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 252 ff.)
5. 420.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 262 ff.)
6. 385.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 272 ff.)
7. 370.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 282 ff.)
8. 555.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 292 ff.)
9. 2.700.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 302 ff.)
10. 3.600.000 DM (Bd. II BMO, Bl. 312 ff.)
Summe: 9.648.800 DM (4.933.353,10 Euro)
Ferner wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, dass er am 23.09.1998 und am 15.10.1998 namens der xxx-GmbH schriftlich die gesamtschuldnerische Mithaftung für zehn von der xxx-GmbH gegenüber der xxx abgegebene Schuldbekenntnisse übernahm, die sich auf die den Grundschuldbestellungen zugrunde liegenden Darlehensverpflichtungen der xxx-GmbH gegenüber der xxx in Höhe der vorgenannten Beträge bezogen. Dabei unterzeichnete der Angeschuldigte am 23.09.1998 Mithaftungserklärungen für acht Schuldbekenntnisse in Höhe der Darlehensbeträge zu Nr. 1 bis 8 (Bd. II BMO, Bl. 126 ff., 136 ff., 145 ff., 154 ff., 163 ff., 172 ff., 181 ff. und 190 ff.) und am 15.10.1998 Mithaftungserklärungen für zwei Schuldbekenntnisse in Höhe der Darlehensbeträge zu Nr. 9 und 10 (Bd. II BMO, Bl. 76 ff. und 67 ff.).
Die Übernahme dieser Verbindlichkeiten namens der xxx-GmbH, die nach der Anklageschrift unter Verletzung von satzungsmäßigen Bestimmungen über die Beteiligung des Aufsichtsrats und der Gesellschafterversammlung erfolgt sein soll, soll weder durch eine rechtliche Verpflichtung geboten noch für die Gesellschaft vorteilhaft gewesen sein und mit deren Geschäftszweck in keinem erkennbaren Zusammenhang gestanden haben. Sie soll lediglich dazu gedient haben, der xxx-GmbH zu Darlehen für die Sanierung ihr gehörender Miet...