Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Schätzung der Einkommensverhältnisse für die Bemessung des Tagessatzes einer Geldstrafe nach § 40 Abs. 3 StGB müssen die Urteilsgründe die Anknüpfungstatsachen mitteilen.
2. Wenn keine Feststellungen zu Einkunftsarten und ihrer Höhe möglich sind, kann auf das von den statistischen Ämtern veröffentlichte Durchschnittseinkommen zurückgegriffen werden, das um Unterhaltspflichten, Steuern und Vorsorgeaufwendungen zu bereinigen ist.
3. Das Gericht muss eine Schätzung ankündigen und offen legen, welche Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Normenkette
StGB § 40 Abs. 3
Tenor
1. Das Urteil des Amtsgerichts E vom 18.3.2008 wird im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Höhe der Tagessätze der Geldstrafe mit den dazu gehörenden Feststellungen aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts E zurückverwiesen.
2. Im Übrigen wird die Revision als offensichtlich unbegründet verworfen.
Gründe
I. Das Amtsgericht erließ am 19.2.2007 einen Strafbefehl wegen Beleidigung gegen die Angeklagte, der ihr am 24.2.2007 zugestellt wurde.
Am 28.2.2007 ging der Einspruch ihres Verteidigers beim Amtsgericht ein.
Im Hauptverhandlungstermin vom 18.3.2008 wurde die Angeklagte wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt.
Am 19.3.2008 legte der Verteidiger Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein.
Die schriftlichen Urteilsgründe wurden dem Verteidiger am 24.4.2008 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 28.4.2008 bezeichnete der Verteidiger das Rechtsmittel als Revision und rügte die Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Ansicht, das Urteil konkretisiere die Tat nicht genügend. Die Urteilsgründe seien lückenhaft, es fehle die Beweiswürdigung. Schließlich habe das Gericht zwar für die Tagessatzbemessung das Einkommen der Angeklagten geschätzt, aber keinerlei Schätzungsgrundlagen mitgeteilt.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts vom 18.3.2008 hinsichtlich der Höhe des Tagessatzes mit den dazu gehörenden Feststellungen aufzuheben, das Verfahren insoweit an das Amtsgericht zurückzuverweisen und im Übrigen die Revision zu verwerfen.
II. Die Revision ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Sie ist aber nur teilweise begründet.
Die Feststellungen zur Höhe des Einkommens, das das Gericht der Bemessung der Höhe des Tagessatzes der Geldstrafe zugrunde gelegt hat, sind nicht ausreichend.
Den Urteilsgründen lässt sich nicht hinreichend nachvollziehbar entnehmen, wie das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Angeklagte verfüge über ein anrechenbares Nettoeinkommen in Höhe von 80 € pro Tag.
Zwar ist das Gericht befugt, das Einkommen des Angeklagten zu schätzen, wenn er dazu keine Angaben macht (§ 40 Abs. 3 StGB). Dabei muss das Gericht aber die in der Verhandlung feststellbaren Aspekte berücksichtigen und darlegen, wie es aufgrund dieser Anknüpfungstatsachen zum gefundenen Ergebnis kommt. Die Schätzungsgrundlagen müssen konkret mitgeteilt werden. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Zwar ist bei einer selbständigen Tätigkeit das Einkommen oftmals nur schwer zu bestimmen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um seltenere Tätigkeiten handelt, bei denen das Gericht nicht über Erfahrungswerte verfügt und auch keine statistischen Durchschnittswerte ermittelbar sind.
Im Urteil führt das Amtsgericht aus, die Angeklagte sei als Hostess auf Messen tätig, betreibe unterschiedliche Internet- und Telefondienstleistungen und verfüge über Einkommen aus der Vermietung von Kraftfahrzeugen. Während man sich ein übliches Entgelt einer Messehostess wird vorstellen können, ist die Tätigkeitsbezeichnung "unterschiedliche Internet- und Telefondienstleistungen" schon sehr vage.
Erst recht wird eine Schätzung schwierig bei mehreren nebeneinander ausgeübten Tätigkeiten oder ergänzenden Einkünften aus Vermietung oder Kapitalvermögen, zumal wenn vom Angeklagten keine Angaben zu erlangen sind. Die relativ zuverlässigste vorstellbare Erkenntnisquelle, nämlich Steuererklärungen und -bescheide, ist wegen des Steuergeheimnisses im Bereich des allgemeinen Strafrechts nicht zugänglich. Zwar wären Erkenntnisse zu den Einkommensverhältnissen auch etwa im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmen zu gewinnen. Eine solche Vorgehensweise dürfte aber gerade wegen der Schätzungsmöglichkeit nach § 40 Abs. 3 StGB unverhältnismäßig sein (vgl. OLG Dresden, StraFo 2007, 329). Eine Überprüfung von Bankkonten, die zuvor eine Abfrage sämtlicher Bankverbindungen über die BAFin erfordern würde, wäre ebenfalls nicht nur unverhältnismäßig aufwändig, sondern auch unzuverlässig, weil es gerade bei Selbständigen keineswegs selbstverständlich ist, dass einerseits die Einnahmen über Bankkonten laufen, andererseits die Betriebsausgaben so einigermaßen zuverlässig ermittelt werden können.
Die Anforderungen an eine Schätzung dürfen nicht überspannt werden. Vor zu hohen Schätzungen ka...