Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff des Personenwagens im Sinne der Verhaltensvorschriften der StVO, hier: § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO (Mercedes Sprinter).
Zur Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums aufgrund der Eintragung in den Fahrzeugpapieren als "Pkw".
Verfahrensgang
AG Gotha (Entscheidung vom 18.03.2004; Aktenzeichen 110 Js 200009/04 - 10 OWi) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Gotha vom 18.03.2004 wird aufgehoben.
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß § 24 StVG i.V.m. § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO zu einer Geldbuße in Höhe von 200,- EUR verurteilt.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Die Gerichtsgebühr wird um 1/2 ermäßigt. Von den im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen der Staatskasse und von den notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren trägt die Staatskasse 1/2.
Angewendete Vorschriften: § 24 StVG, § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheid vom 22.10.2003 setzte das Thüringer Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle - gegen den Betroffenen wegen einer am 11.09.2003 als Führer eines Kraftfahrzeugs des Herstellers Daimler-Chrysler, Typ S., mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen, begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 54 km/h ein Bußgeld in Höhe von 275,00 EUR fest und ordnete zugleich ein Fahrverbot für die Dauer von 2 Monaten an.
Auf den von dem Betroffenen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verurteilte das Amtsgericht Gotha den Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 08.03.2004 "wegen fahrlässiger tateinheitlich begangener Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG i.V.m. § 41 Abs. 2 Nr. 7 (Z.274) StVO zu einer Geldbuße von 550,- EUR. Von der Anordnung eines Fahrverbots wurde abgesehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 23.09.2004 beantragt, den Schuldspruch des amtsgerichtlichen Urteils dahingehend zu berichtigen, dass der Betroffene der fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO, § 24 StVG schuldig ist, und die Rechtsbeschwerde im Übrigen als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist teilweise begründet. Auf die Sachrüge ist das Urteil in Schuld- und Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst abschließend entscheiden.
1.
Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Überschreitung der durch Verkehrszeichen 274 angeordneten Beschränkung der höchstzulässigen Geschwindigkeit nicht.
In dem angefochtenen Urteil heißt es: "Der Betroffene befuhr am 11.09.2003 um 1.15 Uhr die A 4 in Richtung Frankfurt am Main mit dem KFZ über 3,5 Tonnen. In Höhe der Kilometrierung 248 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 54 km/h. Die zulässige Geschwindigkeit betrug 80 km/h. Es waren lediglich die Sitzbank für Fahrer und Beifahrer vorhanden. Andere Sitzgelegenheiten befanden sich nicht im Fahrzeug. Das Fahrzeug war mit Kartons beladen und dienten der Güterbeförderung. Die Sitzbank vorne war durch eine Trennwand von der Ladefläche getrennt." Ferner stellt das Amtsgericht fest, dass das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs 4,6 Tonnen betrug und in den Zulassungspapieren als "Pkw geschlossen" bezeichnet war.
Ein Verstoß gegen eine durch Verkehrszeichen angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung lässt sich dem nicht entnehmen.
2.
Stattdessen ergibt der festgestellte Sachverhalt jedoch - wie auch das Amtsgericht bei der rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen angenommen hat - eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 18, § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO, d.h. einen Verstoß gegen das Verbot, mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen, die nicht Personenkraftwagen sind, auf Autobahnen schneller als 80 km/h zu fahren.
Das Amtsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei dem von dem Betroffenen gesteuerten Fahrzeug nicht um einen Personenkraftwagen i.S.d. § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO ("ausgenommen Personenkraftwagen") handelt.
Allerdings verkennt das Amtsgericht, dass die rechtliche Eigenschaft als Personenkraftwagen im Sinne dieser Vorschrift nicht (allein) danach beurteilt werden kann, ob die in § 23 Abs. 6a StVZO genannten Voraussetzungen erfüllt sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.08.2004, 2 Ss 80/04; Blümel DAR 2004, 39). Nach § 23 Abs. 6a StVZO sind auch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t als Personenkraftwagen zu bezeichnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet un...