Leitsatz (amtlich)

1. Haben Streitgenossen ganz oder teilweise obsiegt und hat deswegen jedenfalls einer von ihnen einen Erstattungsanspruch gegen den Prozessgegner, so kann der einzelne Streitgenosse grundsätzlich nicht den vollen Betrag verlangen, den er nach § 7 Abs. 2 RVG seinem Rechtsanwalt schuldet, sondern nur den Teil der anwaltlichen Gesamtkosten, der seinem Anteil am Verfahren entspricht (Anschluss an Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.01.2013 - 9 W 32/13).

2. Eine Ausnahme von dem aufgezeigten Grundsatz gilt aber dann, wenn einer der Streitgenossen zahlungsunfähig ist (Anschuss an Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.01.2013 - 9 W 32/13).

 

Normenkette

RVG § 7 Abs. 2; BGB § 426

 

Verfahrensgang

LG Gera (Beschluss vom 10.09.2015; Aktenzeichen 4 O 957/08)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1 wird der Beschluss des LG Gera vom 10.09.2015, Az. 4 O 957/08, abgeändert:

Die von den Beschwerdegegnern jeweils zu 50 % an den Beschwerdeführer gem. § 104 ZPO nach dem gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteil des LG Gera vom 08.08.2015 zu erstattenden Kosten werden insgesamt auf 4.538,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 22.05.2014 festgesetzt.

2. Die Beschwerdegegner als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.269,09 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat in dem Klageverfahren vor dem LG Gera zu dem Az. 4 O 957/08, nicht nur den Beschwerdeführer, sondern auch die dortige Beklagte zu 2 vertreten.

In der Kostenentscheidung des LG Gera in dem Urteil vom 08.08.2013 wurden die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers den Beschwerdegegnern zu jeweils 50 % auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 20.05.2014, korrigiert durch Schriftsatz vom 26.06.2015, beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner notwendigen Auslagen in einer Gesamthöhe von 5.082,30 EUR.

Zwischen den Beteiligten des Kostenfestsetzungsverfahrens war in der Folgezeit streitig, ob der Beschwerdeführer die Festsetzung der gesamten oder nur die auf seinen Kopfteil neben der Beklagten zu 2 entfallenden Kosten erhalten kann. Der Beschwerdeführer hat dabei auf den Umstand verwiesen, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Beklagte mangels Masse abgewiesen und die Beklagte zu 2 zwischenzeitlich im Handelsregister gelöscht worden ist.

Mit Beschluss vom 10.09.2015 setzte der Rechtspfleger die von Beschwerdegegnern jeweils zu 50 % an den Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten insgesamt auf 2.269,09 EUR fest. Berücksichtigt wurde nur der auf den Beschwerdeführer entfallende Kopfteil von 1/2.

Gegen dem den Beschwerdeführer am 17.09.2015 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die am 17.09.2015 eingegangene Beschwerde, welcher der Rechtspfleger mit Beschluss vom 11.01.2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, §§ 104 Abs. 3 ZPO, 567 ff. ZPO, § 11 RPflG.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Haben Streitgenossen ganz oder teilweise obsiegt und hat deswegen jedenfalls einer von ihnen einen Erstattungsanspruch gegen den Prozessgegner, so kann der einzelne Streitgenosse grundsätzlich nicht den vollen Betrag verlangen, den er nach § 7 Abs. 2 RVG seinem Rechtsanwalt schuldet, sondern nur den Teil der anwaltlichen Gesamtkosten, der seinem Anteil am Verfahren entspricht. Danach könnte der Beschwerdeführer vorliegend neben seinen eigenen Auslagen nur die Hälfte der Anwaltskosten zur Ausgleichung anmelden. Denn wenn zwei Gebührengesamtschuldner bei übereinstimmendem Streitgegenstand einen Anwalt beauftragen, so entspricht es der Lebenserfahrung und der Üblichkeit, dass sie im Innenverhältnis hälftig an der Kostenlast beteiligt sind. Haben sie zu unterschiedlichen Anteilen im Prozess obsiegt, so würde zudem zu Lasten des Prozessgegners die Kostenquote der Kostengrundentscheidung unterlaufen, wenn der voll obsiegende Streitgenosse die gesamten Anwaltskosten der Streitgenossen gegen den Gegner geltend machen könnte, nur weil er im Außenverhältnis gegenüber dem Anwalt als Gesamtschuldner haftet (vgl. zum Ganzen: Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.01.2013 - 9 W 32/13, juris Rn. 11). Insoweit ist der Ausgangspunkt des Rechtspflegers zutreffend. Eine Ausnahme von dem aufgezeigten Grundsatz gilt aber dann, wenn einer der Streitgenossen zahlungsunfähig ist. Denn dann kann der andere Streitgenosse, der von dem Rechtsanwalt in voller Höhe in Anspruch genommen wird, seinen Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB nicht realisieren. In diesem Fall kann er die gesamten Kosten, die er seinem Prozessbevollmächtigten schuldet, bei der Erstattung anmelden (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.01.2013 - 9 W 32/13, juris Rn. 11 mwN)....

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