Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuervergütung. Vermögenseinsatz von Schmerzensgeldzahlungen. Vormundschaft. Betreuung. Pflegschaft
Leitsatz (amtlich)
Schmerzensgeldzahlungen unterliegen nicht dem in § 1836c Nr. 2 BGB angeordneten Vermögenseinsatz für eine Betreuervergütung, da ein solcher Einsatz für den Betroffenen eine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII darstellt.
Normenkette
BGB § 1836c Nr. 2, § 1908i Abs. 1 S. 1; SGB XII § 90
Verfahrensgang
LG Meiningen (Beschluss vom 11.11.2004; Aktenzeichen 3 T 95/04) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Suhl – Vormundschaftsgericht – hat mit Beschluss vom 11.03.2004 die im Zeitraum vom 27.07.2000 bis 31.07.2003 angefallenen Vergütungen und Aufwendungen des Berufsbetreuers in Höhe von insgesamt 10.305,65 EUR gegen den Betroffenen zur Rückzahlung aus dessen Vermögen festgesetzt (§§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1836c Nr. 2, 1836e Abs. 1 S. 1 BGB, 56g Abs. 1 Nr. 2 S. 2, S. 3 FGG). Dabei hat das Amtsgericht zu dem vom Betroffenen einzusetzenden Vermögen das ihm für einen Verschüttungsunfall – der auch ursächlich für die Anordnung der Betreuung gewesen war – gewährte Schmerzensgeld in Höhe von 110.000,– EUR gerechnet. Auf die hiergegen eingelegte Erstbeschwerde des Betroffenen hin hat das Landgericht Meiningen am 11.11.2004 den erstinstanzlichen Beschluss aufgehoben. Hinsichtlich der Gründe wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 90 d.A.) Bezug genommen.
Im Rahmen der vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde (§ 56g Abs. 5 S. 2 FGG) beantragt der Bezirksrevisor Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung der Erstbeschwerde. Hilfsweise beantragt er, dem Betroffenen nachzulassen, den im Beschluss des Amtsgerichts Suhl zur Zahlung festgesetzten Betrag in fünf jährlichen Raten zu entrichten. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 16.11.2004 (Bl. 97 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hält zurecht den Betroffenen für nicht verpflichtet, den erhaltenen Schmerzensgeldbetrag auf der Grundlage des § 1836c Nr. 2 BGB i.V.m. § 90 SGB XII zur Erstattung der Kosten seines Berufsbetreuers einzusetzen. Eine – lediglich gesetzestechnische – Abweichung ergibt sich gegenüber dem angefochtenen Beschluss insoweit, als die vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Vorschrift des § 88 BSHG seit 01.01.2005 durch die Bestimmung des § 90 des neu geschaffenen Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) ersetzt worden ist, ohne dass sich dadurch eine maßgebende inhaltliche Änderung ergeben hätte.
1. Nach soweit ersichtlich einhelliger Meinung der Rechtsprechung und der Literatur unterliegen Schmerzensgeldleistungen nicht dem in § 1836c Nr. 2 angeordneten Vermögenseinsatz, da deren Einsatz für den Betroffenen eine besondere Härte i.S.d. § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII darstellt (vgl. BVerwG FamRZ 1995, 1348, 1349; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1836c, Rn. 11; Münchener Kommentar-Wagenitz, BGB, 4. Aufl., § 1836c, Rn. 16; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1836c, Rn. 12 jeweils mit Nachw.).
a) Diesen Ansatz hält der Senat für zutreffend. Sowohl die Gesetzesgeschichte (vgl. hierzu BVerwG a.a.O.) des § 90 SGB XII bzw. des früheren § 88 BSHG als auch die generelle Funktion von Schmerzensgeldleistungen stehen einer Heranziehung des Betroffenen entgegen. Nach allgemeiner Auffassung soll das Schmerzensgeld einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden, auch für einen Verlust an immaterieller Lebensqualität bewirken und den Betroffenen in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen (vgl. Palandt/Heinrichs, § 253, Rn. 11 mit Nachw.). Wenn die Beschwerdebegründung damit argumentiert, auch durch die Betreuung habe der Betroffene Vorteile erlangt und es seien ihm „Annehmlichkeiten und Erleichterungen” ermöglicht, so greift das zu kurz. Ziel und Aufgabe einer Betreuung ist die Sicherstellung existenzieller Grundbedürfnisse eines Menschen, wie insbesondere Belange der Gesundheit, Wohnung und finanziellen (Mindest-)Vorsorge, wenn er selbst nicht mehr in der Lage ist, hierfür Sorge zu tragen und deshalb fremder Hilfe bedarf. Im Gegensatz dazu dient das Schmerzensgeld – über die genannten Grundbedürfnisse hinausgehend – gerade dem Zweck der Steigerung der Lebensqualität. Es bedeutet daher eine nachträgliche Minderung der dem Betroffenen zugebilligten Ausgleichsfunktion, wenn er das Schmerzensgeld im Ergebnis für seine bloße Existenzsicherung verwenden müsste. Die vom Betroffenen aus der Betreuung gezogenen Vorteile sind deshalb entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors nicht mit denen einer Schmerzensgeldzahlung zugrunde liegenden identisch.
b) Soweit in dem angefochtenen Beschluss auf eine von der o.g. allgemeinen Rechtsauffassung vermeintlich abweichende Stimme aus der Rechtsprechung hingewiesen wird, besteht bei näherem Hinsehen keine Divergenz. Die Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 30.12.1...