Verfahrensgang
LG Erfurt (Aktenzeichen 6 KLs 590 Js 4436/14 jug (2)) |
Tenor
Dem Antragsteller wird für seine Tätigkeit im erstinstanzlichen Verfahren eine Pauschgebühr in Höhe von 13.890,- € (netto) bewilligt.
Die Pauschgebühr tritt an die Stelle der Gebühren nach Nrn. 4100, 4112 und 4114 VV RVG.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen
Gründe
I.
Im Verfahren gegen den damaligen Angeschuldigten P., der sich durchgängig auf freiem Fuß befand, und weitere 14 Mitangeschuldigte wurde am 23.04.2015 Anklage zum Landgericht Erfurt erhoben. Den Angeschuldigten wurde zur Last gelegt, gemeinschaftliche tateinheitliche gefährliche Körperverletzung in 10 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gemeinschaftlichem schweren Hausfriedensbruch begangen zu haben. Gegenstand des Verfahrens ist ein mutmaßlicher rechtsextremer Überfall auf eine Kirmesgesellschaft in B im Landkreis G am 08./09.02.2014. Mit Beschluss vom 16.09.2015 eröffnete das Landgericht Erfurt das Verfahren.
Die Sache stand und steht im außerordentlichen Interesse der Öffentlichkeit im Freistaat Thüringen und der gesamten Bundesrepublik.
Der Antragsteller beantragte am 23.11.2015 seine Beiordnung als (zweiter) Pflichtverteidiger für den damaligen Angeklagten P., die vom Landgericht Erfurt mit Beschluss vom 24.11.2015 abgelehnt und die dagegen eingelegte Beschwerde vom Senat mit Beschluss vom 04.02.2016 verworfen wurde. Bereits in Vorbereitung der am 02.12.2015 begonnen Hauptverhandlung wurde er für den damaligen Angeklagten P. - ersichtlich in Absprache mit dem bereits am 19.05.2015 beigeordneten Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt K. aus C. - tätig.
Im Zeitraum vom 02.12.2015 bis zum 24.05.2017 führte die 3. Strafkammer des Landgerichts Erfurt an 45 Tagen die Hauptverhandlung durch. An 33 der 45 Hauptverhandlungstermine wurde der Antragsteller dem Angeklagten P. jeweils "für den heutigen Termin ..... als Pflichtverteidiger beigeordnet". Der beigeordnete Pflichtverteidiger Rechtsanwalt K. hat den damaligen Angeklagten P. an 8 Hauptverhandlungstagen verteidigt. An 4 Hauptverhandlungstagen zum Ende des Verfahrens, an denen Plädoyers der anderen Verfahrensbeteiligten gehalten bzw. das Urteil verkündet wurde, ordnete das Gericht mit Rechtsanwalt K. jeweils einen weiteren Verteidiger bei. Den Schlussvortrag für den damaligen Angeklagten P. hielt der Antragsteller am 44. Hauptverhandlungstag.
Der Angeklagte P. wurde mit Urteil vom 24.05.2017 freigesprochen, während 11 Mitangeklagte verurteilt wurden, das Urteil insoweit aber auf die Revision der Angeklagten vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 15.01.2020 aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Erfurt zurückverwiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 11.09.2017 hat der Verteidiger beantragt, ihm gemäß § 51 RVG eine Pauschgebühr in Höhe der Höchstgebühr eines Wahlverteidigers zu gewähren. Dieser Antrag wurde dem Senat erstmals am 29.06.2020 vorgelegt.
Der Bezirksrevisor bei dem Thüringer Oberlandesgericht hat in der Stellungnahme vom 02.02.2021 vorgeschlagen, den Antrag abzulehnen. Der Antragsteller, der nur vertretungsweise für einzelne Hauptverhandlungstermine bestellt worden sei, habe ohnehin nur Anspruch auf die Terminsgebühren; für eine Erhöhung dieser bestehe kein Anlass.
Mit Beschlüssen vom 31.03.2021 hat der Senat für 6 Pflichtverteidiger der noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten in diesem Verfahren Vorschüsse auf zu erwartende Pauschgebühren nach § 51 RVG festgesetzt.
II.
Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr ist im bezeichneten Umfang begründet.
1.
Der Antragsteller ist an 33 Terminstagen dem damaligen Angeklagten P. als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Dadurch wurde jeweils ein eigenständiges öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, in welchem der bestellte Verteidiger die Verteidigung umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hatte (vgl. Beschluss des Senats vom 08.12.2010, 1 Ws 318/10; OLG Bamberg, Beschluss vom 21.12.2010, 1 Ws 700/10; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2014, 1 Ws 148/14; jeweils bei juris). Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist deshalb, auch wenn die Bestellung als Pflichtverteidiger nicht ausdrücklich für das gesamte Verfahren erfolgte und Rechtsanwalt Dr. B. als sogenannter "Terminsvertreter" beigeordnet wurde, zulässig.
2.
Die Prüfung, ob ein Anspruch auf eine Pauschgebühr nach § 51 RVG (für das gesamte Verfahren oder einzelne Verfahrensabschnitte) besteht, erfolgt durch den Senat regelmäßig in der Weise, dass untersucht wird, inwieweit eine besondere Schwierigkeit und/oder ein besonderer Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich einzelner Gebührenanteile gegeben ist. Bei außergewöhnlich zeitaufwendigen Verfahren, u.a. umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren bzw. Indizienprozessen, kann im Einzelfall auch eine pauschale Betrachtung angezeigt sein.
Auszugehen ist von den gesetzlichen Gebühren des Antragstellers, die sich aus dem Vergütungsverzeichnis, Anlage...