Leitsatz (amtlich)
Können Teile des von einem Sachverständigen erstatteten Gutachtens (oder das Gutachten selbst) vom erkennenden Gericht nicht verwertet werden, kann dem Sachverständigen dessen Entschädigungsanspruch nur dann entzogen werden, wenn er die mangelnde Verwertbarkeit (dieser Teile) vorsätzlich oder durch eine grobe Verletzung seiner Pflichten verursacht hat. Dabei reicht - einfaches - Unvermögen bzw. fehlende Sachkunde allein nicht aus, einen groben Pflichtenverstoß anzunehmen; erforderlich sind ausreichende Feststellungen zu einem vorsätzlichen oder vorsatzgleichen, mindestens grob fahrlässigen (bewussten) Pflichtenverstoß des Sachverständigen der zur völligen Unverwertbarkeit (der Teile) des Gutachtens führt.
Verfahrensgang
LG Gera (Beschluss vom 13.11.2007; Aktenzeichen 3 O 159/03) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss/Nichtabhilfebeschluss wird aufgehoben.
Dem Sachverständigen Dr. Sch. steht für das Ergänzungsgutachten vom 18.10.2006 und seine Terminsteilnahme am 29.5.2007 eine Vergütung zu.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Höhe der Vergütung an das LG Gera zurückverwiesen. Dem LG bleibt vorbehalten, die Vergütung des Sachverständigen hinsichtlich einzelner Leistungsteile, die völlig unbrauchbar sind, zu kürzen.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Klägerin - Miteigentümerin des EFH in der Kgasse 21 in A. - nimmt die Beklagten zu 1.-4. als Eigentümer des Nachbargrundstücks Kgasse 22 und die Beklagte zu 5. als den Abbruch des Hauses in der Kgasse 22 ausführenden Bauunternehmens wegen im Zusammenhang mit diesem Abbruch entstandener Schäden an ihrem Haus auf Schadensersatz in Anspruch. Der Rechtsstreit ist (noch) vor dem LG Gera anhängig.
Zunächst mit Beschluss vom 13.1.2004, in der Folge mit weiterem Beschl. v. 30.11.2004 - nach Erweiterung der Klage - hat das LG Gera eine Beweiserhebung über die streitigen Schadensursachen, die notwendigen Schadensbeseitigungsmaßnahmen und deren Kosten angeordnet und mit der Erstellung des schriftlichen Sachverständigengutachtens Herrn Dr. H.-G. Sch. - Sachverständiger für Bauschäden - beauftragt (vgl. Beschl. Bl. 274 ff., Bd. II d.A. u. Bl. 504 ff., Bd. III d.A.). Der Sachverständige Dr. Sch. hat nach Auftragseingang mitgeteilt, dass die nach dem Beweisbeschluss zu klärenden Fragen sein Fachgebiet beträfen. Der Sachverständige hat unter dem 22.6.2004 ein erstes Hauptgutachten (vgl. Bl. 297 ff., Bd. II d.A.) nach Aktenlage erstellt und dieses im Termin vom 24.8.2004 mündlich erläutert. Auf den zweiten Gutachtenauftrag hat der Sachverständige mitgeteilt, dass der Abbruch des Gebäudes Kgasse 22 bereits Dezember 2001 bis Februar 2002 erfolgt, mithin ein Zeitraum von 3 Jahren vergangen sei, was u.U. einer vollständigen Aufklärung entgegenstehe (vgl. Schreiben vom 15.2.2005, Bl. 537 ff. d.A.). Unter dem 28.10.2005 hat der Sachverständige sein weiteres Hauptgutachten erstattet (s. Beiakte "Gutachten vom 28.10.2005").
Die Klägerseite hat hierzu eine ganze Reihe von Einwendungen erhoben und Ergänzungsfragen gestellt, die das LG veranlasst haben, mit weiterem Beschluss vom 14.6.2006 dem Sachverständigen aufzugeben, sich mit den Einwendungen und Fragen der Klägerseite auseinander zu setzen und sein Gutachten zu ergänzen (Bl. 766 ff., Bd. IV d.A.). Unter dem 18.10.2006 hat der Sachverständige "in Kurzform" zu den Fragestellungen der Klägerin und dem Ergänzungsauftrag vom 14.6.2006 schriftlich Stellung genommen (s. Ergänzungsgutachten vom 18.10.2006 in d. Beiakte "Gutachten d. LGA).
Der Sachverständige hat die Kosten für das Ergänzungsgutachten mit 5.578,61 EUR berechnet und mit Schreiben vom 7.11.2006 eine prozentuale Kostenverteilung vorgenommen (Bl. 801, Bd. IV d.A.). Der Kammervorsitzende hat mit Verfügung vom 22.11.2006 entsprechend der Kostenverteilung die Parteien und die Streithelferin der Klägerin zur Einzahlung der jeweiligen Differenzbeträge im Hinblick auf den zu gering veranschlagten Kostenvorschuss aufgefordert; die Parteien haben die jeweils angeforderten Kosten bezahlt (vgl. Bl. 804, Bd. IV d.A.).
Im Termin vom 29.5.2007 hat der Sachverständige Dr. Sch. einzelne Positionen des Hauptgutachtens und sein Ergänzungsgutachten vom 18.10.2006 ausführlich erläutert (vgl. Sitzungsniederschrift vom 29.5.2007, Bl. 934 ff. - 943, Bd. V d.A.). Nach einer Sitzungspause hat die Kammer mit den Verfahrensbeteiligten das weitere Vorgehen besprochen. Einverständnis bestand insoweit, dass die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen ist (Schwammbefall) und den Parteien Gelegenheit gegeben wurde, Ergänzungsfragen zu stellen; der Sachverständige wurde - im Einverständnis der Parteien - entlassen. Der Sachverständige stellte seinen Aufwand für die Sitzung am 29.5.2007 mit 2.364,53 EUR in Rechnung (vgl. Schreiben vom 22.11.2007, Bl. 946a, Bd. V d.A.).
Mit nochmaliger Klageerweiterung und Stellungnahme vom 25.6.2007 zum Beweisergebnis (Bl. 973 ff., Bd. V d.A.) rügte die Klägerseite die bisherigen Ausführungen des Sachverständigen...