Leitsatz (amtlich)

1. Die Prüfung, ob ein Anspruch auf eine Pauschgebühr nach § 51 RVG (für das gesamte Verfahren oder einzelne Verfahrensabschnitte) besteht, erfolgt regelmäßig in der Weise, dass untersucht wird, inwieweit die besondere Schwierigkeit und/oder der besondere Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich einzelner Gebührenanteile zu berücksichtigen ist.

2. Der Aufwand für die Vorbereitung der Hauptverhandlung wird grundsätzlich mit der Verfahrensgebühr, hier: Nr. 4107 RVG-VV, abgegolten. Ein erhöhter Vorbereitungsaufwand für zusätzliche Fortsetzungstermine nach umfangreicher Beweisaufnahme ist bei Festsetzung der Terminsgebühren zu berücksichtigen.

 

Normenkette

RVG § 51; RVG-VV Nrn. 4107, 4109

 

Verfahrensgang

AG Erfurt (Aktenzeichen 710 Js 60022/04-565)

 

Tenor

Dem Antragsteller wird für das Verfahren im ersten Rechtszug eine Pauschgebühr i.H.v. 2.980 EUR (netto) bewilligt.

Die Pauschgebühr tritt an die Stelle der Gebühren nach Nr. 4101, 4107, 4109, 4110 RVG-VV.

Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Rechtsanwalt K. wurde dem Angeklagten N. durch Beschluss des AG Erfurt vom 6.8.2004, mithin nach der am 25.6.2004 erfolgten Anklageerhebung, zum Pflichtverteidiger bestellt. Mit Anklageschrift vom 24.6.2004 war dem seit dem 16.5.2004 nach § 72 Abs. 4 JGG untergebrachten Angeklagten zur Last gelegt worden, sich gemeinsam mit vier weiteren Tätern des Raubes sowie der gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht zu haben. Zum führenden Verfahren wurden weitere, den Angeklagten betreffende Strafverfahren hinzuverbunden:

1. 710 Js .../04-565 Ls jug. AG Erfurt wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung,

2. 710 Js .../04-565 Ls jug. AG Erfurt wegen gemeinschaftlicher versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung,

3. 720 Js .../04-565 Ls jug. AG Erfurt wegen gemeinschaftlicher versuchter räuberischer Erpressung,

4. 720 Js .../04-563 Ls jug. AG Erfurt wegen gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung,

5. 720 Js .../04-54 Ds jug. AG Erfurt wegen Sachbeschädigung.

Der Antragsteller verteidigte den Angeklagten in den Hauptverhandlungsterminen vor dem AG Erfurt am 26.10., 28.10., 4.11., 10.11. und 29.11.2004. Mit Schriftsatz vom 1.2.2005 hat der Verteidiger beantragt, ihm gem. § 51 RVG eine Pauschgebühr für die Verteidigung des Angeklagten i.H.v. 3.000 EUR zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu bewilligen. Die Vertreterin der Staatskasse hat vorgeschlagen, eine Pauschgebühr i.H.v. 2.480 EUR festzusetzen.

II. Die Prüfung, ob ein Anspruch auf eine Pauschgebühr nach § 51 RVG (für das gesamte Verfahren oder einzelne Verfahrensabschnitte) besteht, erfolgt durch den Senat - wie auch im Verfahren nach § 99 BRAGO - regelmäßig in der Weise, dass untersucht wird, inwieweit die besondere Schwierigkeit und/oder der besondere Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich einzelner Gebührenanteile zu berücksichtigen ist. Bei außergewöhnlich zeitaufwendigen Verfahren, u.a. umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren bzw. Indizienprozessen, kann im Einzelfall auch eine pauschale Betrachtung angezeigt sein. Die Voraussetzungen zur Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG sind im bezeichneten Umfang gegeben. Auszugehen ist von den gesetzlichen Gebühren des Antragstellers, die sich aus dem Vergütungsverzeichnis, Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (RVG-VV) wie folgt ergeben:

  • Grundgebühr gem. § 2, Nr. 4101 RVG-VV 162 EUR,
  • Verfahrensgebühr nach § 2, Nr. 4107 RVG-VV 137 EUR,
  • 5 Terminsgebühren nach § 2, Nr. 4109 RVG-VV (je 225 EUR) 1.120 EUR,
  • Zuschlag zur Terminsgebühr für die Hauptverhandlung vom 29.11.2004 (Terminsdauer 5 bis 8 Stunden) nach § 2, Nr. 4110 RVG-VV 92 EUR,
  • 2 Zuschläge zu den Terminsgebühren für die Hauptverhandlungstermine vom 4.11. sowie 10.11.2004 (Terminsdauer über 8 Stunden) nach § 2, Nr. 4111 RVG-VV (je 184 EUR) 368 EUR

Gesamtbetrag: 1.879 EUR.

Dem Antragsteller stehen jeweils die Zuschläge nach dem Vergütungsverzeichnis, Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (RVG-VV), Teil 4 Strafsachen, Vorbemerkung 4, Abs. 4 zu. Aufgrund der Unterbringung nach § 72 Abs. 4 JGG befand sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß i.S.d. Gebührenvorschriften.

Vorliegend handelte es sich um ein besonders umfangreiches Verfahren i.S.v. § 51 RVG. Dem Angeklagten wurden eine Vielzahl von insb. gemeinschaftlich begangenen Gewaltdelikten zur Last gelegt. Durch die Verbindung von insgesamt 6 den Angeklagten betreffenden Verfahren war der Aktenumfang für ein Verfahren vor dem Jugendschöffengericht überdurchschnittlich. Das Verfahren gestaltete sich aber auch in tatsächlicher Hinsicht, obwohl der Angeklagte zu seinem Tatverhalten weitgehend geständig war, besonders schwierig. Zu den Schuldvorwürfen wurden ca. 40 Zeugen vernommen. Die vom AG im Urt. v. 29.11.2004 vorgenommene äußerst umfangreiche Beweiswürdigung belegt die Schwierigkeiten der Sache in tatsächlicher Hinsicht.

In Übereinstimmung mit dem Vorschlag des Bezirksrevisors rechtfertigt zunächst der besondere Umfang der Sache ...

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