Leitsatz (amtlich)

1. § 68f Abs. 2 StGB stellt an die Sozialprognose strengere Anforderungen als § 57 Abs. 1 StGB. Selbst eine vorzeitige Entlassung in anderer Sache auf Grund einer günstigen Prognose gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB führt nicht automatisch auch zum Entfallen der Führungsaufsicht.

2. Zu Ausgestaltung und Begründung der Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, den Wohn- oder Aufenthaltsort nicht ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle zu verlassen.

alternativ zu 2)

Je mehr eine im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisung die Lebensführung des Verurteilten beschneidet, umso höher ist der Begründungsbedarf in dem anordnenden Beschluss, um den Beschwerdegericht die Überprüfung auf Ermessensfehler zu ermöglichen. Bezogen auf eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB bedeutet dies, dass bei einer Erteilung ohne jegliche zeitliche Ausnahme grundsätzlich in der Beschlussbegründung auszuführen ist, warum eine so starke Einschränkung im konkreten Fall für erforderlich erachtet wurde. Dagegen wird in den Fällen, in denen vom Gericht eine Frist für das noch erlaubnisfreie Verlassen bestimmt wird, die im Rahmen üblicher Lebensgestaltung liegt (z.B. wenn ein kurzfristig geplanter Verwandtenbesuch oder Kurzurlaub von einigen Tagen erlaubnisfrei möglich ist), eine gesonderte Begründung in der Regel nicht erforderlich sein.

 

Normenkette

StGB § 68b Abs. 3; GG Art. 103 Abs. 2; StGB § 57 Abs. 1, § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 68f Abs. 2, § 145a; StPO

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Entscheidung vom 09.09.2009; Aktenzeichen StVK 372/09)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

2. Ziffer 4 a) des Beschlusses des Landgerichts Erfurt vom 09.09.2009 wird insoweit aufgehoben, als der Verurteilte darin angewiesen worden ist, den Wohnort nicht ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle zu verlassen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten der Beschwerde - an das Landgericht Erfurt zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts Gera vom 06.08.2003 (Az.: 150 Js 33927/02 1 Ls, rechtskräftig seit 14.10.2003) wegen gewerbsmäßigen Betruges in 87 Fällen, wobei es in 53 Fällen beim Versuch blieb, unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gera vom 04.12.2002, Az.: 150 Js 13944/02 10 Ds, und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Unter Berücksichtigung von Untersuchungshaft befand er sich in dieser Sache und zur Vollstreckung weiterer Straferkenntnisse seit 06.09.2002 in Haft.

Mit Beschluss vom 16.12.2005 (Az.: StVK 398/05; 431/05; 438/05) setzte das Landgericht Erfurt - Strafvollstreckungskammer - die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafen aus dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts Gera, aus einem Urteil des Amtsgerichts Trier vom 24.06.2003 (Az.: 8006 Js 1701/02 jug 12 Ds) sowie aus einem weiteren Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 14.05.2001 (Az.: 3551 Js 607/01.63 Ds) zur Bewährung aus. Der Verurteilte wurde daraufhin am 24.02.2006 aus dem Strafvollzug entlassen.

Mit Beschluss vom 20.12.2006 (Az.: StVK BRs 3/06) widerrief die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Erfurt die mit Beschluss vom 16.12.2005 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung, da der Verurteilte seinen mit jenem Beschluss auferlegten Weisungen und Auflagen keine Folge geleistet hatte. Er hatte sich der Aufsicht und Leitung seines Bewährungshelfers beharrlich entzogen und keine der ihm auferlegten 80 Stunden gemeinnützige Arbeit geleistet.

Aufgrund eines in dieser Sache ergangenen Sicherungshaftbefehls des Landgerichts Erfurt vom 27.11.2006 wurde der Beschwerdeführer am 08.12.2006 erneut festgenommen und befand sich seitdem bis zu seiner Entlassung am 09.04.2009 ununterbrochen in Haft, seit dem 05.04.2007 in der Justizvollzugsanstalt Tonna. Im vorliegenden Verfahren hatte er die zu vollstreckende Freiheitsstrafe am 07.01.2008 vollständig verbüßt. Anschließend wurde der Strafrest aus der Entscheidung des Amtsgerichts Trier vom 24.06.2003 bis zum 27.02.2008 vollständig vollstreckt. Sodann erfolgte vom 28.02.2008 bis 28.06.2008 die Vollstreckung der mit Urteil des Amtsgerichts Mainz verhängten Freiheitsstrafe bis zum Ablauf von zwei Dritteln. Vom 29.06.2008 bis zum 28.12.2008 wurde sodann die Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 17.01.2008 vollständig vollstreckt. Die ab dem 29.12.2008 weiter vollstreckte Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 14.05.2001 setzte das Landgericht Erfurt mit Beschluss vom 26.03.2009 zur Bewährung aus.

Zu der mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom 22.02.2008 beantragten Anordnung der Führungsaufsicht im vorliegenden Verfahren hörte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt den Beschwerdeführer am 07.09.2009 mündlich an.

Am 09.09.2009 erließ das Landgericht Erfurt - Strafvol...

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