Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Pflicht für aufgrund einer Überweisung hinzugezogenen Arzt zur Erhebung einer eigenen Anamnese
Verfahrensgang
LG Gera (Aktenzeichen 7 O 284/01) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet, § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.
Gründe
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe zur Einlegung der Berufung gegen ein landgerichtliches Urteil, mit welchem sein Anspruch auf Schmerzensgeld für die Katarakt-Operation an seinem rechten Auge abgewiesen worden ist. Er meint, dem Beklagten sei dadurch ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, dass er keine Anamnese durchgeführt und deshalb nicht erkannt habe, dass der Kläger auch unter einer konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung leide. Bei Kenntnis dieser Beeinträchtigung wären weiter gehende Untersuchungen geboten gewesen, die zur Feststellung der tatsächlich vorhandenen tapetoretinalen Degeneration geführt hätten. Bei der Aufklärung über Chancen und Risiken der Katarakt-Operation hätte dann zusätzlich darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen dieser Vorschädigung die erwünschte Verbesserung des Sehvermögens ganz oder teilweise ausbleiben könne. Aufgrund einer solchen Aufklärung hätte er von der Operation Abstand genommen. Deshalb sei der Eingriff rechtswidrig erfolgt, so dass der Beklagte gem. §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a.F. das begehrte Schmerzensgeld zu leisten habe.
Der Antrag ist gem. § 114 ZPO zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg hat. Das LG hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten kein Behandlungsfehler, schon gar kein grober, unterlaufen ist. Denn er war nicht verpflichtet, die Krankengeschichte des Klägers – erneut – abzuklären. Vielmehr konnte er sich darauf verlassen, dass dies in der gebotenen Form durch den überweisenden Erstbehandler, den Zeugen Dr. D., geschehen war und dieser die danach gebotenen Befunde erhoben hatte. Denn er war als Arzt, an den der Kläger zur Durchführung eines konkret bestimmten Eingriffs überwiesen worden war („horizontale Arbeitsteilung”), nicht zur umfassenden Beratung und Behandlung des Klägers verpflichtet; er war nicht einmal berechtigt, über den ihm konkret erteilten Auftrag hinauszugehen (st. Rspr.: BGH v. 5.10.1993 – VI ZR 237/92, MDR 1994, 993 = NJW 1994, 797 [798]; OLG Oldenburg VersR 1999, 452 [453]; OLG Celle v. 8.5.1989 – 1 U 53/88, VersR 1990, 1012 [1013]; OLG Düsseldorf v. 30.6.1983 – 8 U 178/80, VersR 1984, 643 [645]). Diesen, die Katarakt-Operation, hat er aber behandlungsfehlerfrei erfüllt.
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Beklagte aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Diagnose des Erstbehandlers hätte haben müssen; solche ergaben sich aus der Überweisung nicht. Diese krit. zu hinterfragen und die ihr zugrunde zu legenden Untersuchungen erneut durchzuführen, war nach dem Inhalt des auf die Durchführung der Operation gerichteten Behandlungsvertrags nicht geboten. Es lag auch nicht im mutmaßlichen Interesse des Klägers, diese Kosten erneut auszulösen, ohne einen Anhaltspunkt für ein voraussichtlich abweichendes Ergebnis zu besitzen. Hätte der Kläger solches gewünscht, wäre es ihm darum gegangen, eine „zweite Meinung” einzuholen, hätte er dies von sich aus dem Beklagten ggü. zum Ausdruck bringen und einen vollumfänglichen Behandlungsvertrag mit ihm schließen müssen, anstatt es bei der Überweisung zu belassen.
Im Übrigen hätte die Berufung auch dann keine Erfolgsaussicht, wenn dem Beklagten das Unterlassen einer Anamnese als grober Behandlungsfahler anzulasten wäre. Denn ihm wäre der Beweis gelungen, dass dieser nicht kausal den „Schaden”, die Durchführung des Eingriffs, herbeigeführt hätte. Es wäre nämlich davon auszugehen, dass der Kläger bei Erhebung seiner Krankengeschichte von einer konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung nichts gesagt hätte. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Dr. D., der Kläger habe weder vor noch nach der Operation über eine Gesichtsfeldeinschränkung berichtet (Bl. 162 d.A.). Dafür, dass der Kläger demzuwider vor der Operation gerade ggü. dem Beklagten derartige Beschwerden geschildert hätte, ist kein Grund ersichtlich. Der Behandlungsverlauf nach einer Anamnese durch den Beklagten wäre damit von dem tatsächlich erfolgten nicht abgewichen.
Die landgerichtliche Entscheidung ist daher nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 1115363 |
OLGR Köln 2004, 35 |
GesR 2004, 180 |
OLG-NL 2004, 97 |
OLGR-BHS 2004, 35 |
OLGR-CBO 2004, 35 |
OLGR-KS 2004, 35 |
OLGR-NBL 2004, 140 |