Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerechtsverfahren: Keine Aussetzung im Hinblick auf eine laufende strafrechtliche Klärung wegen des Verdachts des sexuellen Mißbrauchs
Leitsatz (amtlich)
Keine Aussetzung des Sorgerechtsverfahrens wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs gegen einen Elternteil.
Normenkette
ZPO §§ 148-149; BGB § 1671; FGG §§ 12, 52 Abs. 2
Tenor
1. Der Beschluss des AG - FamG - E. vom 11.9.2008 wird aufgehoben.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert wird auf 600 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien sind die minderjährigen Kinder Z., geb. am 1.2.2006, N., geb. am 22.12.2006, und J., geb. am 5.6.2008, hervorgegangen. Darüber hinaus lebte im Haushalt der Parteien noch das aus einer vorherigen Beziehung der Antragsgegnerin entstammende Kind, M., geb. am 17.1.2001.
Das Sorgerecht für die Kinder Z. und N. übten die Eltern aufgrund von Sorgeerklärungen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB) zunächst gemeinsam aus. Nach der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im April 2008 streben die Parteien im vorliegenden Verfahren nunmehr wechselseitig das alleinige Sorgerecht für die beiden Kinder Z. und N. an.
Mit Beschluss vom 16.7.2008 übertrug das AG im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder auf den Antragsteller. Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit ihrem Abänderungsantrag (§ 620b Abs. 2 ZPO), den sie u.a. mit den Verdacht des sexuellen Missbrauches von M. begründete. Gleichzeitig erstattete sie Strafanzeige gegen den Antragsteller. Der Antragsteller ist dem Vorwurf energisch entgegentreten und meint, dass die Aussage von M. fremdsuggestiv beeinflusst sei.
Nach persönlicher Anhörung der Eltern, des Jugendamtes sowie der Vernehmung der Zeugen G. und S. hat das AG mit Beschluss vom 1.9.2008 in Abänderung der bestehenden Regelung vom 16.7.2008 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Z. und N. im Wege der einstweiligen Anordnung nunmehr auf die Antragsgegnerin übertragen und hat mit weiterem Beschluss vom 11.9.2008 das Sorgerechtsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs nach § 149 ZPO ausgesetzt.
Gegen die Aussetzung des Verfahrens wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er ist der Auffassung, dass die Aussetzung gegen den Amtsermittlungs- sowie gegen den Beschleunigungsgrundsatz verstoße. So sei insbesondere nicht ersichtlich, weshalb das Gericht von der Einholung eines entsprechenden Glaubwürdigkeitsgutachtens keinen Gebrauch mache.
Die Antragsgegnerin sowie die Verfahrenspflegerin verteidigen die angefochtene Entscheidung.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist als einfache Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung des AG in einer selbständigen Familiensache nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gem. §§ 621a Abs. 1 ZPO, 19 FGG zulässig (vgl. OLGReport Köln 2001, 275; BayObLG, FamRZ 2004, 1323).
Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Eine Aussetzung von Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sieht das Gesetz nur in bestimmten Fällen ausdrücklich vor; in Sorgerechtsverfahren unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 FGG, die offensichtlich nicht gegeben sind. Danach soll das Gericht - so weit dies nicht zu einer für das Kindeswohl nachteiligen Verzögerung führt - das Verfahren aussetzen, wenn die Beteiligten bereit sind, außergerichtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, oder nach freier Überzeugung des Gerichts Aussicht auf ein Einvernehmen der Beteiligten besteht.
Gleichwohl ist die Aussetzung nach einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung nicht auf die normierten Fälle beschränkt, sondern - beispielsweise nach dem Rechtsgedanken zivilprozessualer Vorschriften wegen gleicher Interessenlage, bei Vorgreiflichkeit eines anderen anhängigen Verfahrens (§ 148 ZPO) grundsätzlich zulässig (vgl. OLG Köln FamRZ 2002, 1124; Jansen, FGG, 3. Aufl., Vorbm. §§ 8-18 Rz. 39 ff. m.w.N.; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 12 Rz. 98). Voraussetzung hierfür ist jedoch die Abhängigkeit der Entscheidung von jener, die in einem anderen Rechtsstreit oder einem Verwaltungsverfahren zu treffen ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit präjudizielle Bedeutung hat (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rz. 5).
Allerdings ist vorliegend schon nicht erkennbar, inwieweit der Ausgang bzw. das Ergebnis des Strafverfahrens gegen den Antragsteller für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens bindend und damit "vorgreiflich" wäre. Denn an Feststellungen in einem Strafurteil ist das Gericht nicht gebunden. Es ist vielmehr befugt, den Sachverhalt selbständig aufzuklären, und nicht gehindert, die Tatsachen, die der Strafrichter als nicht erwiesen erachtet hat, gleichwohl als wahr festzustellen oder umgekehrt (vgl. Jansen, a.a.O., § 12 Rz. 34). Gerade im Hinblick auf die ...