Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten-Strafsachen. auswärtiger Verteidiger. Mehrkosten. mehrere Verteidiger. Erstattungsfaehigkeit. KfB. Zur Erstattungsfähigkeit der durch den auswärtigen Residenzort des Wahlverteidigers verursachten Mehrkosten
Leitsatz (amtlich)
Für eine Anrechnung der aus der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigervergütung auf die als Teil der notwendige Auslagen des Angeklagten zu erstattende Wahlverteidigervergütung ist insbesondere dann kein Raum, wenn der Pflichtverteidiger aus vom Angeklagten nicht zu vertretenden Gründen zusätzlich zum vorhandenen Wahlverteidiger bestellt wurde.
Normenkette
StPO § 464a Abs. 2 Nr. 2, § 464b; ZPO § 91 Abs. 2
Tenor
1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts E vom 22.12.2010 wird dergestalt abgeändert, dass die dem vormaligen Angeklagten Dr. R infolge der Beauftragung von Rechtsanwalt Prof. Dr. N aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 10.598,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.6.2010 festgesetzt werden.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen, jedoch wird die Gebühr auf die Hälfte ermäßigt. Die Landeskasse hat die Hälfte der dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen und die Hälfte der Auslagen der Landeskasse zu tragen.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 18.1.2005 zeigte Rechtsanwalt Prof. Dr. N unter Vorlage einer Vollmacht vom 4.12.2004 die Verteidigung des vormaligen Angeklagten Dr. R an. Zuvor hatte bereits Rechtsanwalt Z mit Schriftsatz vom 29.10.2001 die anwaltliche Vertretung von Dr. R angezeigt.
Mit Beschluss vom 1.2.2005 bestellte der damalige Vorsitzende der 2. Strafkammer des Landgerichts E Rechtsanwalt Z auf dessen Antrag im Schriftsatz vom 12.11.2004 dem ehemaligen Angeklagten Dr. R gemäß § 140 Abs. 1 StPO zum Verteidiger. Zur Begründung heißt es, dem Antrag sei zu entsprechen gewesen, auch wenn sich inzwischen mit Rechtsanwalt Prof. Dr. N ein weiterer Verteidiger gemeldet habe. Rechtsanwalt Prof. Dr. N habe seinen Dienstsitz in Dortmund. Für den Fall der Zulassung der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens sei zur Sicherung der Durchführung einer Hauptverhandlung die Beiordnung eines gerichtsnäher ansässigen Anwalts erforderlich.
Mit Beschluss vom 31.3.2010 stellte das Landgericht das Verfahren gegen den ehemaligen Angeklagten Dr. R gemäß § 153a Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StPO und gemäß § 153 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StPO ein und ordnete zugleich an, dass die notwendigen Auslagen des Angeklagten einschließlich der Kosten eines zweiten Verteidigers zu 60 Prozent der Staatskasse zur Last fallen.
Mit am 30.6.2010 eingegangenem Schriftsatz vom 28.6.2010 beantragte Rechtsanwalt Prof. Dr. N, Gebühren und Auslagen in Höhe von 16.425,35 € gegen die Landeskasse festzusetzen.
Mit Schriftsatz vom 17.9.2010 beantragte Rechtsanwalt Z, über die bereits gezahlte Pflichtverteidigervergütung hinaus Wahlverteidigergebühren und Auslagen in Höhe von 4.943,20 € festzusetzen.
In seiner Stellungnahme vom 15.10.2010 hielt der Bezirksrevisor beim Landgericht E für Rechtsanwalt Prof. Dr. N einen Betrag von 5.064,70 € für gerechtfertigt. Ihm stünde grundsätzlich nur ein Kostenanspruch in Höhe 14.844,20 € zu. Der Termin vom 13.12.2006 habe ausweislich der Akten nicht stattgefunden. Die von Rechtsanwalt Prof. Dr. N geltend gemachten Reisekosten und Abwesenheitsgelder seien nicht erstattungsfähig. Von dem Kostenanspruch von 14.844,20 € seien die an Rechtsanwalt Z gezahlten Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 7.776 € in Abzug zu bringen. Die Kosten mehrerer Anwälte seien nur insoweit erstattungsfähig, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht überstiegen. Seien in einem Verfahren sowohl ein Wahlverteidiger als auch ein Pflichtverteidiger tätig geworden, so sei von den Wahlverteidigerkosten grundsätzlich nur der Unterschiedsbetrag zu den Kosten des Pflichtverteidigers zu erstatten. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Pflichtverteidiger ohne Verschulden des Freigesprochenen oder seines Wahlverteidigers - etwa zur Sicherung des Verfahrens - bestellt worden sei. Dies sei hier nicht anzunehmen, weil die Pflichtverteidigerbestellung ausweislich des entsprechenden Beschlusses mit Rücksicht auf den außerhalb des Landgerichtsbezirks E liegenden Residenzort von Rechtsanwalt Prof. Dr. N erfolgt sei. Nach der Kostengrundentscheidung seien schließlich nur 60 Prozent der notwendigen Auslagen erstattungsfähig.
In einer weiteren Stellungnahme vom 15.10.2010 sowie in der Stellungnahme vom 6.12.2010 beantragte der Bezirksrevisor, den Antrag von Rechtsanwalt Z vom 17.9.2010 zurückzuweisen. Zur Begründung verwies der Bezirksrevisor erneut darauf, dass die Kosten mehrerer Anwälte nur insoweit erstattungsfähig seien, als sie die Kosten eines Rechtsanwaltes nicht überstiegen. Weil der Antrag von Rechtsanwalt Prof. N zeitlich vor dem Antrag von Rechtsanwalt Z auf Erstattung von Wahlverteidigergebühren...