Verfahrensgang
LG Erfurt (Beschluss vom 25.07.2007; Aktenzeichen 7 OH 24/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellerin vom 15.8.2007 wird der Beschluss des LG Erfurt vom 25.7.2007, Az: 7 OH 24/07, abgeändert:
Der Antragstellerin wird für die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens rückwirkend ab 6.6.2007 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts bleibt dem LG vorbehalten.
Gründe
Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und als solche auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist die sofortige Beschwerde fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO sind gegeben; insbesondere besteht Erfolgsaussicht.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO, wenn es aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als möglich erscheint, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 114 Rz. 19). Dies ist hier der Fall.
Die Bestimmungen über das selbständige Beweisverfahren ermöglichen in
§ 485 Abs. 2 ZPO - unabhängig von einem Beweissicherungsbedürfnis - die Erhebung des Sachverständigenbeweises unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der zu treffenden Feststellung hat; ein solches ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO), kann aber auch bei einem nicht vergleichsbereiten Gegner bestehen (Zöller/Herget, a.a.O., § 485 Rz. 7a m.w.N.).
Der Begriff des "rechtlichen Interesses" ist weit zu fassen. Insbesondere ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Dementsprechend kann ein rechtliches Interesse dann verneint werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist. Dabei kann es sich nur um völlig eindeutige Fälle handeln, in denen evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann (BGH, Beschl. v. 28.7.2006 - III ZB 14/06, NJW-RR 2006, 1454-1455; v. 16.9.2004 - III ZB 33/04, NJW 2004, 3488-3490; Zöller/Herget, a.a.O.; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 485 Rz. 7). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor; es liegt nicht auf der Hand, dass ein Anspruch aus § 437 BGB nicht bestehen kann.
Die Beweisfragen der Antragstellerin sind auch nicht ungeeignet. Der Antragsteller bestimmt in eigener Verantwortung in einem selbständigen Beweisverfahren durch seinen Antrag auf Einleitung dieses Verfahrens den Gegenstand der Beweisaufnahme und die Beweismittel. Das Gericht ist an die Tatsachenbehauptungen des Antragstellers gebunden (BGH, Beschl. v. 4.11.1999, Az: VII ZB 19/99, NJW 2000, 960-961). Es darf nicht die Beweisbedürftigkeit und die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Tatsachen überprüfen, muss aber seine Prüfung darauf erstrecken, ob das Beweismittel überhaupt geeignet ist (Zöller/Herget, a.a.O., § 490 Rz. 3). Die Ungeeignetheit des Beweismittels kann nur ausnahmsweise bejaht werden, z.B. wenn es im Einzelfall völlig ausgeschlossen erscheint, dass das Beweismittel zu dem Beweisthema sachdienliche Erkenntnisse bringen kann (Zöller/Greger, a.a.O., Vor § 284 Rz. 10). Dies ist hier aber nicht der Fall. Der Senat teilt insoweit die - offenbar geänderte - Auffassung des LG, das durch Beschluss vom 30.11.2007 dem Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang und damit hinsichtlich aller Beweisfragen stattgegeben hat.
Unter diesen Umständen erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nicht mutwillig (§ 114 Satz 1 ZPO).
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe war zurückwirken zu lassen auf den Zeitpunkt, in dem die Antragstellerin durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der etwa erforderlichen Unterlagen von ihrer Seite aus die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe geschaffen hatte (BGH, Beschl. v. 30.9.1981 - IVb ZR 694/80, NJW 1982, 446-447;; v. 6.12.1984 - VII ZR 223/83, NJW 1985, 921-922).
Die Antragsstellerin ist auch bedürftig i.S.d. §§ 114, 115 ZPO; sie ist nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage, die voraussichtlich anfallenden Verfahrenskosten zu tragen.
Die Entscheidung über die Beiordnung des Rechtsanwalts (§ 121 ZPO) hat das Beschwerdegericht dem LG vorbehalten.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da das Beschwerdeverfahren aufgrund des Erfolgs des Rechtsmittels gebührenfrei ist (vgl. Nr. 1812 KV/GKG) und im Übrigen eine Erstattung der Kosten nicht stattfindet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2015744 |
AGS 2008, 400 |
OLGR-Ost 2008, 714 |