Leitsatz (amtlich)

Der Gebührenanspruch des früheren Wahlverteidigers, der nach einer Gesetzesänderung - hier: Übergang von der BRAGO zum RVG - als Pflichtverteidiger beigeordnet wird, richtet sich nach dem neuen Gebührenrecht.

 

Normenkette

RVG § 61; BRAGO § 134

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 10.01.2005; Aktenzeichen 160 Js 31812/03-6 Kls)

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.

II. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Am 1.3.2004 wurde Rechtsanwalt L. von der damaligen Angeschuldigten als Wahlverteidiger bevollmächtigt. Mit Schriftsatz vom 22.4.2004 beantragte der Verteidiger die Beiordnung zum Pflichtverteidiger und kündigte für den Fall der Beiordnung die Niederlegung des Wahlmandates an. Nach erfolgter Übernahme der Sache durch das LG Erfurt wurde Rechtsanwalt L. durch Beschluss des Vorsitzenden der 6. Strafkammer des LG am 29.7.2004 sodann zum Pflichtverteidiger bestellt.

Durch rechtskräftiges Urteil der 6. Strafkammer des LG Erfurt vom 27.9.2004 wurde die Angeklagte wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 8 Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen sowie Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Mit Schriftsatz vom 27.9.2004 rechnete Rechtsanwalt L. Pflichtverteidigergebühren i.H.v. insgesamt 1.313,83 EUR ab, wobei er für sämtliche Gebühren die Regelungen des seit dem 1.7.2004 geltenden Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zugrunde legte. Durch Auszahlungsanordnung vom 25.10.2004 setzte die Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Vergütung von lediglich 657,37 EUR fest. Gegen die am 29.11.2004 zugestellte Entscheidung legte Rechtsanwalt L. mit Schriftsatz vom 1.12.2004, eingegangen beim LG Erfurt am 2.12.2004, "sofortige Beschwerde" ein und begehrte die Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Auf die als Erinnerung i.S.v. § 56 RVG auszulegende "sofortige Beschwerde" setzte das LG Erfurt die Vergütung insgesamt auf 1.113,83 EUR abzgl. bereits gezahlter 657,37 EUR fest. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem LG Erfurt vom 24.1.2005.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig.

Zwar hat das LG nicht über die Abhilfe nach § 33 Abs. 4 S. 1 RVG entschieden, dies ist jedoch bei entsprechender Anwendung der zu § 306 StPO entwickelten Grundsätze im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens unschädlich.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

Der Senat schließt sich der ausführlichen Begründung des angefochtenen Beschlusses in vollem Umfang an. Bereits zur fast wortgleichen Regelung des § 134 BRAGO hat der Senat in ständiger Rechtsprechung (OLG Jena, Beschl. v. 4.9.1996 - AR (S) 61/96 zum KostRÄndG vom 24.6.1994; Beschl. v. 19.1.2000 - AR (S) 182/99 zur Ermäßigungssatz-AnpassungsVO vom 15.4.1996; Beschl. v. 20.8.2003 - AR (S) 122/03 zum KostREurouG) bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden entschieden, dass sich der Gebührenanspruch des früheren Wahlverteidigers, der nach einer Gesetzesänderung als Pflichtverteidiger beigeordnet wird, nach dem neuen Gebührenrecht richtet.

Auch hinsichtlich des für den Übergang von der BRAGO zum RVG maßgeblichen § 61 RVG vertritt der Senat weiter diese, inzwischen auch zu § 61 RVG vorherrschende, Auffassung (OLG Schleswig NStZ 2005, 176 - Begründung bei Burhoff-Online; OLG Celle, Beschl. v. 11.2.2005 - 1 ARs 239/04 P; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2005 - 2 (s) Sbd. VIII 267, 268 und 269/04; KG, Beschl. v. 17.1.2005 - (1) 2 StE 10/03 - 2 (4/03); OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.1.2005 - 2 Ws 15/05; die letztgenannten Entscheidungen alle bei Burhoff-Online).

Entscheidendes Argument für die auch vom Senat vertretene Auffassung ist, dass mit der Pflichtverteidigerbestellung das Wahlmandat endet und nicht mehr als Anknüpfungspunkt zur Verfügung steht.

Zwar ist der mit der Beschwerde vertretenen Rechtsauffassung (so zum RVG: LG Berlin, Beschl. v. 20.10.2004 - (509) 70 Js 923/04 Kls (40/04); zum alten Recht u.a. OLG Bamberg JurBüro 1989, 965) zuzugeben, dass § 61 RVG ebenso wie § 134 BRAGO auch im gegenteiligen Sinne auslegungsfähig ist. Kann aber eine Auslegung in beide Richtungen erfolgen, kommt der vom LG zitierten Gesetzesbegründung wesentliches Gewicht zu. Für die vom Senat vertretene Rechtsansicht spricht schließlich auch die Regelung des § 48 Abs. 5 S. 1 RVG, wonach dann, wenn der Rechtsanwalt in Angelegenheiten nach den Teilen 4 - 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet wird, er Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung erhält.

Die Beschwerde war deshalb als unbegründet zu verwerfen.

III. Der Ausspruch über die Gebühren und Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1385297

JurBüro 2005, 538

RVGreport 2005, 221

StV 2006, 36

NJOZ 2005, 3709

RVG-Letter 2005, 101

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