Verfahrensgang

AG Stadtroda (Entscheidung vom 12.09.2003; Aktenzeichen 550 Js 17908/03 - 3 Owi)

 

Gründe

I. Mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle des Thüringer Polizeiverwaltungsamtes vom 05.02.2003 sind gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h eine Geldbuße in Höhe von 100 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat Dauer festgesetzt und zudem bestimmt worden, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft (§ 25 Abs. 2a StVG).

Auf den rechtzeitigen Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Stadtroda Termin zur Hauptverhandlung anberaumt und den Betroffenen durch Urteil vom 12.09.2003 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft um 43 km/h zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer - ebenfalls unter Anwendung der Regelung des § 25 Abs. 2a StVG - bestimmt.

Gegen diese Verurteilung wendet sich der Betroffene mit seiner am 15.09.2003 beim Amtsgericht Stadtroda per Fax eingelegten Rechtsbeschwerde, die mit Schriftsatz vom 24.11.2003 begründet wurde und mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Mit Stellungnahme vom 10.02.2003 hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Stadtroda vom 12.09.2003 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Stadtroda zurückzuverweisen.

II. Die zulässig, insbesondere form- und fristgerecht, erhobene Rechtsbeschwerde hat bereits mit der Sachrüge einen vorläufigen Erfolg. Eines Eingehens auf die Verfahrensrüge durch den Senat bedurfte es daher nicht.

1. Das Urteil unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil die Beweiswürdigung bezüglich der Fahrereigenschaft des Betroffenen unvollständig ist.

Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich dem Tatgericht vorbehalten und demnach einer inhaltlichen Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen. Die Beweiswürdigung ist jedoch dann zu beanstanden, wenn sie Lücken, Widersprüche, Unklarheiten oder Verstöße gegen Denkgesetze, gefestigte Erfahrungssätze oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse enthält (KK-Schoreit, StPO, 5. Aufl., § 261 Rdnr. 51). Vorliegend erweist sich die Darstellung der Beweiswürdigung als lückenhaft.

Nach den Feststellungen des Tatrichters hat sich der Betroffene einer fahrlässigen Überschreitung der außerhalb geschlossener Ortschaft zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 43 km/h schuldig gemacht. Er soll am 07.12.2002 die Bundesautobahn A 4 in Fahrtrichtung Frankfurt mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... befahren haben und in Höhe des Kilometers 165,5 bei einer ausweislich der ordnungsgemäßen Beschilderung durch zwei Zeichen 274 StVO höchstzulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h mit einer gefahrenen Mindestgeschwindigkeit von 123 km/h durch das vor Ort aufgestellte Radarmessgerät vom Typ Traffipax-Speedophot festgestellt worden sein.

In der Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den Angaben im Bußgeldbescheid, den bei der Akte befindlichen Lichtbildern, dem Geschwindigkeitsmessblatt vom 08.01.2003 und der Eichurkunde für das Messgerät vom 17.10.2003."

Das Amtsgericht hat demnach die Fahrereigenschaft des Betroffenen aus "den bei der Akte befindlichen Lichtbildern" abgeleitet. Hinsichtlich der Identifizierung eines Betroffenen anhand eines Lichtbildes sind der freien Beweiswürdigung durch den Tatrichter indes Grenzen gesetzt und die Ausführungen im Urteil werden den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 41, 376 ff.) und auch derjenigen des Senats (u.a. Senatsbeschluss vom 03.06.2003, Az. 1 Ss 250/02) an die Würdigung eines bei einer Verkehrsüberwachung gefertigten Beweisfotos zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

Ob das Lichtbild die Feststellung zulässt, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist, hat allein der Tatrichter zu entscheiden. Es kann daher mit der Rechtsbeschwerde grundsätzlich nicht beanstandet werden, der Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person identisch. Die Überprüfung dieser tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich versagt. Das folgt auch daraus, dass eine solche Prüfung eine Inaugenscheinnahme des Betroffenen voraussetzte, also ohne eine - unzulässige - (teilweise) Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht möglich wäre.

Hinsichtlich der Identifizierung eines Betroffenen anhand eines Lichtbildes ist der dargestellte Grundsatz jedoch nur eingeschränkt gültig. So lässt etwa ein sehr unscharfes Foto oder ein Foto, auf dem das Gesicht des Fahrers nicht oder nur zu einem geringen Teil abgebildet ist, eine Identifizierung durch bloßen Vergleich mit dem in der Hauptverhandlung ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?