Leitsatz (amtlich)
1. Die Anrechnungsvorschrift des § 58 Abs. 3 Satz 3 RVG ist so anzuwenden, dass zunächst das Doppelte der Pflichtverteidigervergütung - ohne Berücksichtigung der Pauschvergütung - zu berechnen ist. Sodann ist der Betrag zu ermitteln, der zugunsten des Pflichtverteidigers aus der Staatskasse festgesetzt worden ist, und die Anrechnung vorzunehmen, soweit dieser Betrag einschließlich der Zahlung, über deren Anrechnung zu befinden ist, den doppelten Betrag der Pflichtverteidigervergütung übersteigt.
2. Bei der Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung ist sicherzustellen, dass der Pflichtverteidiger neben den vollen Pflichtverteidigergebühren zusammen mit den bereits erhaltenen Zahlungen und Vorschüssen nicht mehr erhält, als ihm als Wahlverteidigervergütung zustünde. Hierfür spricht die Regelung in § 52 Abs. 1 Satz 2 RVG, wonach die aus der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigergebühren auf den Anspruch gegen den Beschuldigten auf Zahlung der Wahlverteidigergebühren anzurechnen sind.
3. Es ist ausgeschlossen, dass ein Wahlverteidiger nach § 42 RVG eine höhere Vergütung erhält, als ein Pflichtverteidiger nach § 51 RVG.
Normenkette
RVG §§ 42, 51, 52 Abs. 1 S. 2, § 58 Abs. 3 Sätze 1, 3; GKG § 66 Abs. 4 S. 1, Abs. 6 S. 1, Abs. 8
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Entscheidung vom 05.05.2009; Aktenzeichen 6 Qs 20/09) |
AG Gera (Aktenzeichen 720 Js 7461/06 10 Ls) |
Tenor
Die weiteren Beschwerden werden verworfen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Durch das seit dem 21.06.2006 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Gera vom selben Tage, Az.: 720 Js 7461/06 10 Ls, ist der Verurteilte wegen gemeinschaftlich und tatmehrheitlich begangener Taten der schweren gewerbsmäßigen Urkundenfälschung in Tateinheit jeweils mit mittelbarer Falschbeurkundung in 72 tatmehrheitlichen Fällen, der mittelbaren Falschbeurkundung in 37 tatmehrheitlichen Fällen, der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in 163 tatmehrheitlichen Fällen, davon in je 3 Fällen nach dem Aktiengesetz bzw. dem Handelsgesetzbuch, des vorsätzlichen Bankrotts durch Beiseiteschaffen der Buchführung in 162 tatmehrheitlichen Fällen, des vorsätzlichen Bankrotts durch unterlassene Buchführung in 162 tatmehrheitlichen Fällen, des vorsätzlichen Bankrotts durch unterlassene Bilanzierung in 250 tatmehrheitlichen Fällen, der vorsätzlichen Verletzung der Buchführungspflicht durch Beiseiteschaffen der Buchführung in 13 tatmehrheitlichen Fällen, der vorsätzlichen Verletzung der Buchführungspflicht durch Unterlassen der Buchführung in 13 tatmehrheitlichen Fällen und der vorsätzlichen Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzierung in 31 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden.
In dem Strafverfahren ist der Verurteilte von Rechtsanwältin Dr. S, als Pflichtverteidigerin vertreten worden. An sie hatte er als Vorschuss auf das Honorar 300,- Euro gezahlt.
Mit Kostenansatz vom 20.05.2008 ist der Verurteilte verpflichtet worden, u.a. 4.996,06 Euro verauslagte Pflichtverteidigergebühren an die Staatskasse zu zahlen.
Gegen diesen Kostenansatz hat der Verurteilte am 27.05./14.06.2008 Erinnerung eingelegt, mit der er im Wesentlichen moniert, dass der von ihm an seine Pflichtverteidigerin vor deren Bestellung gezahlte Vorschuss in Höhe von 300,- Euro bei der Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren nicht als Abzugsbetrag berücksichtigt worden sei und dass die vom Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 19.03.2007 seiner Pflichtverteidigerin in Höhe von 3.630,-- Euro netto bewilligte Pauschvergütung überhöht sei.
Auf die Erinnerung des Verurteilten hat das Amtsgericht Gera mit Beschluss vom 19.12.2008, Az.: 720 Js 7461/06 10 Ls, den Kostenansatz vom 20.05.2008 dahingehend geändert, dass für an Rechtsanwälte zu zahlende Beträge nicht 4.996,06 Euro, sondern nur 4.696,06 Euro zu zahlen seien und hat im Übrigen der Erinnerung nicht abgeholfen.
Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Verurteilte mit Schreiben vom 02.01.2009, als auch die Staatskasse mit Schriftsatz vom 13.01.2009 Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 05.05.2009, Az.: 6 Qs 20/09, hat das Landgericht Mühlhausen die Beschwerden des Verurteilten Dr. B vom 02.01.2009 und der Staatskasse vom 13.01.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gera vom 19.12.2008 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen, soweit die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gera vom 12.12.2008 zurückgewiesen worden ist.
Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Verurteilte mit beim Landgericht am 10.06.2009 eingegangenem Schreiben vom 08.06.2009 als auch die Staatskasse mit Schreiben vom 29.06.2009 weitere Beschwerde eingelegt, denen das Landgericht jedoch nicht abgeholfen, sondern sie mit Verfügung vom 02.07.2009 dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
II. 1. Die weitere Beschwerde des Verurteilten ist nicht zulässig und war deshalb zu verwerfen.
Gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG ist die weite...