Verfahrensgang

AG Hildburghausen (Entscheidung vom 24.10.2003; Aktenzeichen 310 Js 9846/03 - 1 OWi)

 

Gründe

I. Durch Bußgeldbescheid vom 19.02.2003 verhängte das Thüringer Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle - gegen den Betroffenen wegen Verstoßes gegen §§ 36 Abs. 2, 69 a StVZO eine Geldbuße von 55,00 EUR. Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen am 24.02.2003 zugestellt. Hiergegen legte der Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz vom 07.03.2003, eingegangen beim Thüringer Polizeiverwaltungsamt am 08.03.2003, Einspruch ein.

Am 24.10.2003 verurteilte das Amtsgericht Hildburghausen den Betroffenen "wegen Führens eines Fahrzeuges ohne ausreichende Profiltiefe" unter Anwendung der §§ 36 Abs. 2 Satz 3, 69a Abs. 3 Nr. 8 StVZO zu einer Geldbuße von 50,00 EUR. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 29.10.2003, die am 04.12.2003 begründet worden ist.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 03.05.2005 beantragt, schon den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Durch Beschluss vom 17.05.2005 ist die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden.

II. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des Urteiles vom 24.10.2003 und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

"Der Betroffene führte am 22.01.2003, gegen 13.30 Uhr, die Zugmaschine Daimler-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen ... in S., obwohl dessen Reifen keine ausreichende Profil- oder Einschnitttiefe bzw. keine ausreichenden Profilrillen besaßen."

Das Urteil vom 24.10.2003 verletzt materielles Recht.

Die Feststellungen des Amtsgerichts lassen schon nicht erkennen, welche Handlung abgeurteilt worden ist.

Unklarheit besteht zum einen darüber, wegen welcher Fahrt der Betroffene verurteilt worden ist. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich zwar noch entnehmen, dass die Fahrt nach der Beschädigung der Reifen der Zugmaschine unternommen worden ist und dass der Betroffene lediglich 50 Meter zurückgelegt hat. Offen bleibt aber, wo der Betroffene (und nicht dessen Beifahrer) die Zugmaschine gesteuert, insbesondere welchen Weg er benutzt hat.

Unklarheit besteht zum anderen über die geahndete Vorschriftswidrigkeit der Bereifung der Zugmaschine.

Die ungenauen und unbestimmten Feststellungen des Amtsgerichts im Tatsächlichen lassen offen ("bzw."), ob und inwiefern keine ausreichende Profil- oder Einschnitttiefe oder keine ausreichenden Profilrillen oder beides nicht (mehr) vorhanden war. Diese Unklarheit setzt sich in der Beweiswürdigung zur inneren Handlungsseite fort. Nachdem die Fahrt mit beschädigten Reifen unternommen worden ist, kommt es allein darauf an, ob der Betroffene diese konkreten Schäden erkannt hat oder hätte erkennen können und müssen; auf die Vorschädigung der Reifen, mit der sich das Amtsgericht hier wie an anderer Stelle beschäftigt, kommt es insoweit nicht entscheidend an. Auch der Schuldspruch ist widersprüchlich. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Führens eines Fahrzeuges ohne ausreichende Profiltiefe verurteilt, aber statt § 36 Abs. 2 Satz 4 StVZO (mit § 69a Abs. 3 Nr. 8 StVZO) widersprüchlicherweise § 36 Abs. 2 Satz 3 StVZO zur Anwendung gebracht.

Erst die Klärung der genauen Beschaffenheit der Reifen der Zugmaschine ermöglicht eine exakte rechtliche Einordnung, von der auch das Maß der Schuld im Einzelfall abhängt.

Zu unterscheiden ist dabei zwischen Luftreifen, die nicht am ganzen Umfang und auf der ganzen Breite der Lauffläche mit Profilrillen oder Einschnitten versehen sind (§ 36 Abs. 2 Satz 3 StVZO), solchen, die entsprechende Profilrillen oder Einschnitte haben, es aber an der erforderlichen Profiltiefe fehlt (§ 36 Abs. 2 Satz 4 StVZO) und solchen, die aus sonstigen Gründen nicht (mehr) verkehrssicher sind (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 StVZO).

In allen diesen Fällen ist § 30 Abs. 1 StVZO (mit § 69a Abs. 3 Nr. 1 StVZO) als Generalklausel für die Beschaffenheit von Fahrzeugen verletzt. Ist die Verkehrsunsicherheit des Fahrzeuges auf Gründe zurückzuführen, für die - wie mit § 36 Abs. 2 Satz 3 und 4 StVZO (mit § 69a Abs. 3 Nr. 8 StVZO) - eine spezielle Beschaffenheitsvorschrift vorhanden ist, greift § 30 Abs. 1 StVZO indes nicht ein (BayObLG VerkMitt 1967 Nr. 106). Dies gilt auch im Falle von Beschädigungen, wenn die Reifen infolge von Beschädigungen nicht auf der ganzen Lauffläche Profile oder Einschnitte aufweisen und deshalb verkehrsunsicher sind (vgl. BayObLG NJW 1981, 2135). Entsprechendes gilt, wenn aufgrund einer Beschädigung die Profiltiefe nicht mehr ausreichend ist. Tateinheit mit §§ 30 Abs. 1, 69a Abs. 3 Nr. 1 StVZO bleibt jedoch möglich, wenn Beschädigungen des Reifens vorliegen, die sich nicht auf das Profil oder die Einschnitte beschränken, sondern zugleich weitere Teile des Reifens erfassen und auch insoweit eine abstrakte Gefahr begründen.

§ 36 Abs. 2 Satz 3 und 4 StVZO selbst sind nebeneinander nicht anwendbar, da § 36 Abs. 2 Satz 4 St...

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