Verfahrensgang
LG Gera (Aktenzeichen 6 OH 49/04) |
Tenor
1.
Der Beschluss des Landgerichts Gera vom 29.06.2006 wird aufgehoben.
2.
Der Beschluss des Landgerichts Gera vom 17.05.2006 wird abgeändert:
Der Sachverständige W wird angewiesen, die zur Beantwortung der Beweisfragen nach seinem Gutachten vom 16.12.2005 erforderliche Bauteilöffnung (Betonkanal) im Klinikum der FSU J, vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen und sodann die Beweisfragen zu beantworten.
3.
Gegen diese Entscheidung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller verlangt im selbständigen Beweisverfahren die Feststellung von Feuchtigkeitsschäden sowie deren Ursachen und Kosten der Mangelbeseitigung. Das Landgericht hat die Beweisaufnahme angeordnet und Diplom -Ingenieur W zum Sachverständigen bestimmt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16.12.2005 die behaupteten Mängel bestätigt, hält aber die vollständige Freilegung eines mit Sand verfüllten Betonkanals für notwendig, um die Ursachen der Mängel zu klären.
Der Antragsteller hat beantragt,
Die Antragsgegnerinnen sind diesem Antrag entgegengetreten.
Durch Beschluss vom 17.05.2006 hat das Landgericht diesen Antrag abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach §§ 490 Abs.1, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Ablehnung der Anweisung zur Bauteilöffnung die Zurückweisung eines Gesuchs darstellt.
In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.
Das Landgericht ist der Ansicht, die Bauteilöffnung gehöre nicht zu den Aufgaben, mit denen es den Sachverständigen beauftragt habe. Vielmehr handele es sich bei dieser Arbeit um eine Vorbereitungsmaßnahme, die nach dem prozessrechtlichen Beibringungsgrundsatz von den Parteien des Streitverfahrens zu leisten seien. Der Sachverständige als Gehilfe des Gerichts habe nur dieselben Rechte und Pflichten wie das Gericht. Davon seien Arbeiten zur Herbeischaffung oder Erschließung der Beweise jedoch nicht erfasst. Die Aufgaben des Gerichts und seines Gehilfen beschränkten sich im Zivilprozess darauf, die herbeigeschafften Beweise zu beurteilen.
Diese Ansicht hält der Überprüfung durch den Senat nicht stand.
In Schrifttum und Rechtsprechung ist umstritten, ob ein Gericht befugt ist, gem. § 404a Abs. 1 ZPO einem Sachverständigen die Weisung zu erteilen, die von ihm zur Erstattung seines Gutachtens für erforderlich erachteten Bauteilöffnungen auf eigene Verantwortung vorzunehmen. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, das Gericht sei nicht verpflichtet, einen Sachverständigen anzuweisen, die zur Herstellung von Bauteilöffnungen erforderlichen Werkverträge abzuschließen. Zur Begründung führt diese Ansicht an, von einem Bausachverständigen könne in der Regel aufgrund seiner Ausbildung und in Folge des Zuschnitts seines Gewerbes nicht erwartet werden, dass er die für die Erstellung eines Gutachtens erforderliche Öffnung von Bauteilen selbst vornehme. Dieser Eingriff in die Bausubstanz könne nämlich im Hinblick auf Schadensersatzforderungen des Eigentümers mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden sein. Sachgerecht sei es deshalb, dem Antragsteller direkt aufzugeben, die Voraussetzungen für eine Gutachtenerstattung zu schaffen (OLG Bamberg, Baurecht 2002, 829; OLG Rostock, Baurecht 2003, 757; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl., Rdnr. 91).
Nach anderer Ansicht ergebe sich aus der Systematik der §§ 404, 404a, 407, 407a und 408 ZPO ohne weiteres die Verpflichtung des Sachverständigen, gutachterliche Fragen, deren Beantwortung in sein Fachgebiet falle, zu beantworten und sich hierfür erforderlichenfalls der Mithilfe anderer Personen zu bedienen, wenn und soweit notwendige Arbeiten nicht von ihm verrichtet werden können. Zur Verweigerung der Zuziehung von Hilfspersonen sei der Sachverständige hingegen weder nach § 407a noch nach der Vorschrift des § 408 ZPO berechtigt. Vielmehr habe der Sachverständige als seine ureigenste Aufgabe dafür zu sorgen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erledigung des Gutachtenauftrags geschaffen werden. Es könne offen bleiben, ob sich ein Gutachtenauftrag bereits ohne besondere Ermächtigung auf unabdingbar notwendige Maßnahmen wie das Öffnen von Bauteilen erstrecke. Weigere sich ein Gutachter, seinen Auftrag vollständig zu erfüllen, so sei jedenfalls dann, wenn der Eigentümer einem Eingriff in die Bausubstanz zugestimmt hat, eine Weisung im Sinne des § 404a Abs. 4 ZPO zulässig und geboten (OLG Brandenburg, Baurecht 1996, 432; OLG Frankfurt, Baurecht 1998, 1052; OLG Celle, Baurecht 2005, 1358; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 404a Rdnr. 1; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 404a, Rdnr. 4; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl., 20. Teil, ...