Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsabänderungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Zurechnung eines fiktiven Einkommens beim Minderjährigenunterhalt im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit.
Sind die Bewerbungsbemühungen des Unterhaltspflichtigen nicht ausreichend und steht auch nicht fest, dass es für erfolgreiche Erwerbsbemühungen keine realistische Grundlage gegeben hätte, hat die Zurechnung eines fiktiven Einkommens zu erfolgen.
Die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte müssen objektiv erzielbar sein und sind konkret festzustellen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1, 2 S. 1; FamFG § 239 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Bad Salzungen (Beschluss vom 01.10.2014; Aktenzeichen 1 F 569/13) |
Tenor
1. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Salzungen vom 21.08.2014, Az.: 1 F 569/13, wird abgeändert.
Die Anträge der Antragstellerin zu 1.) und des Antragstellers zu 2.) werden abgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten beider Instanzen haben die Antragstellerin zu 1.) 29 % und der Antragsteller zu 2.) 71 % zu tragen.
Darüber hinaus haben die Antragstellerin zu 1.) 29 % und der Antragsteller zu 2.) 71 % der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners in beiden Instanzen zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten ihre Kosten beider Instanzen selbst zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 5.616,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die minderjährigen Antragsteller entstammen der zwischenzeitlich geschiedenen Ehe ihrer Mutter, in deren Obhut sie leben, mit dem Antragsgegner. Sie sind einkommens- und vermögenslos. In einem vorangegangenem Unterhaltsverfahren vor dem AG Bad Salzungen, Az.: 2 F 501/11, verpflichtete sich der Antragsgegner nach Rücknahme des Unterhaltsantrages für den Antragsteller zu 2.) mit Vergleich vom 26.04.2012 für die Antragstellerin zu 1.) ab Mai 2012 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 200,00 EUR zu zahlen.
Vorliegend nehmen die Antragsteller den Antragsgegner, die Antragstellerin zu 1.) in Abänderung des am 26.04.2012 geschlossenen Vergleichs, ab November 2013 auf jeweils 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes, derzeit in Höhe von je 334,00 EUR, in Anspruch.
Dazu haben sie im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsgegner stehe nach Kenntnis ihrer Mutter in abhängiger Beschäftigung und erziele ein bereinigtes Nettoeinkommen von mindestens 1.700 EUR. Er unterliege der gesteigerten Unterhaltspflicht und habe daher ggf. seine tatsächlichen Einkünfte nachzuweisen sowie im Falle der Erwerbslosigkeit Bemühungen um eine möglichst gut bezahlte Stelle darzulegen.
Der Antragsgegner, der seit 1996 nicht mehr in seinem Beruf als Fliesenleger gearbeitet hat, hat sich unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Verfahren, Az.: 2 F 501/11, auf Leistungsunfähigkeit wegen fortdauernder und sich verschlechternder gesundheitlicher Beeinträchtigungen berufen. Er habe bereits damals SGB II-Leistungen bezogen.
Darüber hinaus hat er in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2013 seine Einkünfte seit Februar 2012 dargelegt, die es ihm nicht ermöglicht hätten, Vermögen zu bilden.
Nach Einholung eines Gutachtens der Dr. med. S. B., Institut für Arbeitsmedizin, B. L. vom 17.02.2014 zur Erwerbsfähigkeit des Antragsgegners hat das AG den Anträgen der Antragsteller mit Beschluss vom 21.08.2014 stattgegeben. Der Senat nimmt Bezug auf die Einzelheiten des Gutachtens (Bl. 28-30 d.A.) und die schriftlichen Entscheidungsgründe des Amtsgerichts (Bl. 74-76 d.A.)
Gegen diese, ihm am 01.09.2014 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 01.10.2014 beim AG eingelegte und zugleich begründete Beschwerde des Antragsgegners.
Dazu wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen und führt im Wesentlichen aus, dem AG könne nicht darin gefolgt werden, dass er leistungsfähig sei. Er habe bereits im Erstverfahren auf seine Leistungsunfähigkeit aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen hingewiesen und aktuell nachgewiesen, seit Oktober 2013 eine versicherungspflichtige Tätigkeit mit einem Nettoeinkommen von 500 EUR innegehabt zu haben.
Im Hinblick aus seine gesundheitliche Situation, die sich nachweislich verschlechtert habe, könne er keiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit unterliegen.
Insoweit habe er auch zu den von den Antragstellern im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Einstellungsangeboten vorgetragen, dass diese Aushilfstätigkeiten ihm nicht zumutbar seien und er für die Büroarbeiten über keine entsprechenden fachlichen Kenntnisse verfüge.
Entgegen der Auffassung des AG habe er nicht nur Erwerbsbemühungen gezeigt, sondern auch entsprechend seiner gesundheitlichen Situation gearbeitet sowie an Wiedereingliederungsmaßnahmen teilgenommen.
Es werde übersehen, dass er nur bedingt einsetzbar sei und auch in der Vergangenheit immer nur Tätigkeiten ausgeübt habe, die seiner gesundheitlichen Situation entsprachen. Gegenwärtig übe er seit Juli 2013 (richtig nach Verdienstbescheinigung, Bl. 92 d.A.: seit 01.08.2014) eine Teilzeitbeschäftigung als Hausmeister bei der Firma E., mit der er ein Nettoeinkomm...