Tenor
1. Zum zuständigen Gericht wird das Amtsgericht - Familiengericht - Jena bestimmt.
Gründe
I. Zwischen dem Amtsgericht - Familiengericht - Erfurt und dem Amtsgericht - Familiengericht - Jena besteht ein negativer Kompetenzkonflikt.
Die Stadtverwaltung - Jugendamt - E. macht im Wege des vereinfachten Unterhaltsverfahrens aufgrund einer Legalzession rückständigen Kindesunterhalt gegen den Antragsgegner geltend. Sie hat den Antrag mit Schreiben vom 14.10.2019 beim Amtsgericht - Familiengericht - Erfurt eingereicht. Dieses hat mit Verfügung vom 21.11.2019 bei der Antragstellerin unter Hinweis auf § 28 Abs. 1 AUG angefragt, ob einer Abgabe an das Amtsgericht Jena zugestimmt werde. Mit Schreiben vom 29.11.2019 hat das Jugendamt einer solchen Abgabe zugestimmt. Daraufhin hat sich das Amtsgericht Erfurt mit Beschluss vom 23.01.2020 für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Jena "verwiesen". Dieses hat mit Beschluss vom 13.03.2020 die Übernahme abgelehnt. Es hat die Ansicht vertreten, örtlich unzuständig zu sein. Aus § 28 Abs. 1 AUG könne die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Jena nicht hergeleitet werden. Unter Anwendung der vom Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil zum Verhältnis von § 28 AUG zu Art. 3 lit. b EuUnthVO aufgestellten Kriterien finde § 28 Abs. 1 AUG im vorliegenden Fall keine Anwendung. Da der Auslandsbezug in diesem Verfahren kein spezifisches Fachwissen erfordere, sei es nicht erforderlich, dass das Konzentrationsgericht den Fall bearbeite. Das Amtsgericht Erfurt hat daraufhin die Sache mit Verfügung vom 24.03.2020 dem ThOLG zur gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
II. 1. Die Vorlage durch das Amtsgericht Erfurt vom 24.03.2020 zur Bestimmung des in dem vereinfachten Unterhaltsverfahren örtlich zuständigen Gerichts ist nach § 36 ZPO in Verbindung mit § 113 Abs. 1 FamFG zulässig.
a) Bei der Unterhaltssache handelt es sich um eine Familienstreitsache (§ 112 Nr. 1, § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Daher kommt nicht § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zum Tragen (§113 Abs. 1 Satz 1 FamFG), sondern über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.
b) Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Die Bestimmung setzt einen Rechtsstreit voraus. Daraus folgt, dass eine Rechtshängigkeit der Streitsache gegeben sein muss. Die Anhängigkeit genügt grundsätzlich nicht (BGH, Beschluss vom 04.06.1997 - XII ARZ 13/97 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 18.09.1986 - I ARZ 513/86 -, juris Rn. 3; OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 09.07.2012 - 13 AR 10/12 -, juris Rn. 9; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. (2020), § 36 Rn. 32 und 36 m.w.N.).
Rechtshängig ist das vorliegende Unterhaltsverfahren noch nicht. Dementsprechend könnte das ThOLG an sich derzeit nicht mit dem Zuständigkeitsstreit zwischen dem Amtsgericht Erfurt und dem Amtsgericht Jena befasst werden. Es ist jedoch in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dann analog angewandt werden kann, wenn ansonsten eine baldige Beilegung des Zuständigkeitsstreits nicht zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 18.09.1986 - I ARZ 513/86 -, juris Rn. 3; BayObLG, Beschluss vom 21.06.1991 - AR 1 Z 49/91 -, juris Rn. 6; OLG Frankfurt, a.a.O., juris Rn. 11 ff.; Schultzky, a.a.O., Rn. 36). Letztlich gebietet dies die Prozesswirtschaftlichkeit (OLG Frankfurt, a.a.O., juris Rn. 13).
Auch wenn vorliegend die beiden Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - Erfurt vom 23.01.2020 und des Amtsgerichts - Familiengericht Jena vom 13.03.2020 keine "rechtskräftigen" Beschlüsse im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO darstellen, ist es gleichwohl gerechtfertigt, eine Zuständigkeitsentscheidung nach dieser Norm zu treffen. Nur so kann dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Genüge getan werden. Denn beide Gerichte haben in den Beschlussgründen deutlich gemacht, weshalb aus ihrer Sicht nicht sie, sondern das jeweils andere Familiengericht für das vereinfachte Unterhaltsverfahren zuständig sein soll. Eine Fortführung des Zuständigkeitsstreits zwischen den beiden Gerichten würde zu einer Verzögerung des Verfahrens führen. Dies würde zum einen dem Ziel des vereinfachten Unterhaltsverfahrens und zum anderen Sinn und Zweck von Art. 3 lit. a und b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUnthVO) widersprechen.
2. Da aus den unter Nr. 1 lit. b dargelegten Gründen kein bindender Beschluss im Sinne des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO vorliegt, ist die Prüfung des Senats nicht darauf beschränkt, ob der Verweisungsbeschluss jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und sich damit als objektiv willkürlich darstellt oder unter Versagung des rechtlichen Gehörs ergangen ist (zu diesen Kriterien BGH, Beschluss vo...