Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungswidrigkeiten. Verfahren. Nichteinhaltung der Ladungsfrist. Keine Notwendigkeit zur Einhaltung der Ladungsfrist bei bloßer Verlegung des Termins zur Hauptverhandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschriften der §§ 217, 218 StPO über die Ladungsfrist dienen dazu, dem Betroffenen ausreichend Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu gewähren, und dem Schutz vor Überraschungsverfahren.
2. Diese Zwecke werden durch die Terminsverlegung nicht berührt. Die Möglichkeit der Vorbereitung des Termins verbessert sich durch eine Verlegung des Hauptverhandlungstermins noch. Der Schutz vor Überraschungsverfahren wird dadurch gewährleistet, dass das Gericht auf eine rechtzeitig angezeigte Verhinderung des Betroffenen und eventuell auch seines Verteidigers Rücksicht zu nehmen hat.
3. Die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22.06.1978 (Az. 1 Ob Owi 749/77) betrifft eine abweichende Fallgestaltung. Wie bei der Umladung auf einen späteren Termin zu entscheiden ist, hat das Bayerischen Obersten Landesgericht in seinem Beschluss ausdrücklich offen gelassen.
Normenkette
OWiG § 74 Abs. 2; StPO §§ 217-218
Verfahrensgang
AG Eisenach (Entscheidung vom 22.01.2010; Aktenzeichen 370 Js 8249/09 2 Owi) |
Tenor
Der Antrag wird als unbegründet auf verworfen.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde werden der Betroffenen auferlegt.
Gründe
I. Mit Bußgeldbescheid der Thüringer Polizei, Zentrale Bußgeldstelle Artern, vom 08.01.2009 wurde gegen die Betroffene wegen des Vorwurfs, sie habe als Führer ihres PKW bei einer Geschwindigkeit von 107 km/h den erforderlichen Abstand von 44,58 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten (Abstand von 20 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes) eine Geldbuße in Höhe von 60 € verhängt.
Auf den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch der Betroffenen hin hat das Amtsgericht Eisenach zunächst Termin zur Hauptverhandlung auf den 10.06.2009, 11.10 Uhr bestimmt. Die Terminsladungen wurden der Betroffenen am 29.04.2009 und dem Verteidiger am 04.05.2009 zugestellt. Auf die Anträge des Verteidigers der Betroffenen vom 07.05. und 04.06.2009, die dieser mit Terminskollision unter Vorlage der Terminsladung des Amtsgerichts Dresden begründete, hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 05.06.2009 wegen Verhinderung des Verteidigers den Termin zur Hauptverhandlung auf den 17.06.2009, 11.45 Uhr verlegt. Dieser Termin war zuvor mit dem Büro des Verteidigers abgestimmt worden. Die Ladungen zum verlegten Termin erreichten die Betroffene am 10.06. und den Verteidiger am 12.06.2009. Mit einem am 15.06.2009 beim Amtsgericht Eisenach eingegangenen Schriftsatz von diesem Tage beantragte der Verteidiger unter Hinweis auf §§ 217, 218 StPO, 46 OWiG die Aussetzung der Hauptverhandlung, da die Ladungsfrist nicht eingehalten sei. Er kündigte gleichzeitig an, zur Hauptverhandlung nicht zu erscheinen.
Mit E-Mails vom 16.06.2009 wies der zuständige Richter den Verteidiger darauf hin, dass es bei dem Termin vom 17.06.2009 verbleibe, da bei der Terminsverlegung die Ladungsfrist nicht eingehalten werden müsse. Weiter wies er darauf hin, dass in Bezug auf die mit Schriftsatz vom 04.06.2009 beantragte Entbindung der Betroffenen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung bislang noch keine Verteidigervollmacht i.S.v. § 73 Abs. 3 OWiG vorliege. Sofern zum Termin am 17.06.2009 niemand erscheinen würde, kündigte das Gericht an, ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG zu erlassen.
Nachdem zum Hauptverhandlungstermin am 17.06.2009 weder die Betroffene noch der Verteidiger erschienen waren, verwarf das Amtsgericht den Einspruch der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid gem. § 74 Abs. 2 OWiG.
Gegen dieses der Betroffenen am 20.06. und ihrem Verteidiger am 25.06.2009 zugestellte Urteil wendet sich die Betroffene mit dem beim Amtsgericht am 29.06.2009 eingegangenen Schriftsatz ihres Verteidigers. Darin wird beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Zur Begründung des Antrags führt die Betroffene mit weiterem Schriftsatz ihres Verteidigers vom 24.07.2009 im Wesentlichen aus, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei durch die zu Unrecht erfolgte Terminsverlegung verletzt worden. Sie habe entschuldigt gefehlt, so dass kein Verwerfungsurteil hätte ergehen dürfen.
Zu dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft am 12.11.2009 mit dem Antrag Stellung genommen, diesen Antrag als unbegründet zu verwerfen.
Mit Beschluss vom 18.01.2010 wurde die Rechtsbeschwerde zu Fortbildung des Rechts zugelassen und auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II. Es ist nicht geboten, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
Die auf die Nichteinhaltung der Ladungsfrist gestützte Verfahrensrüge, mit der gleichzeitig eine Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG und des Anspruchs der Betroffenen auf die Gewährung rechtlichen Gehörs geltend gemacht wird, ist entsprechend den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 u...