Verfahrensgang
AG Sömmerda (Entscheidung vom 25.10.2002; Aktenzeichen 630 Js 200919/02) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 25.10.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Sömmerda zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheid der zentralen Bußgeldstelle des Thüringer Polizeiverwaltungsamtes vom 21.01.2002 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 21 km/h, begangen am 15.11.2001, eine Geldbuße von 100,00 EUR sowie ein Fahrverbot von 1 Monat Dauer festgesetzt.
Auf seinen rechtzeitigen Einspruch bestimmte das Amtsgericht Sömmerda zunächst auf den 21.06.2002 und nach Aussetzung des Verfahrens auf den 25.10.2002 Termin zur Hauptverhandlung. Nachdem der Betroffene, der von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht entbunden war, am 25.10.2002 nicht erschien, verwarf das Amtsgericht Sömmerda den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 22.01.2002 nach § 74 Abs. 2 OWiG.
Das Urteil wurde dem Betroffenen am 07.11.2002 zugestellt. Bereits mit Schriftsatz vom 01.11.2002 hatte der Verteidiger des Betroffenen Rechtsbeschwerde gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegt und begründete diese mit weiterem Schriftsatz vom 25.11.2002. In der Rechtsbeschwerdebegründung wird zwar ausdrücklich die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Dabei wird jedoch die Fehlerhaftigkeit des Urteils insbesondere damit begründet, dass der Betroffene in der Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 25.10.2002 nicht über die Folgen eines unentschuldigten Ausbleibens gemäß § 74 Abs. 3 OWiG belehrt worden sei.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 01.03.2004 beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 25.10.2002 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Sömmerda zurückzuverweisen.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat zur Zulässigkeit und Begründetheit des Rechtsmittels ausgeführt:
"Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde, welche unschädlich als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde bezeichnet wurde, ist statthaft gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG sowie frist- und formgerecht eingelegt und auch begründet worden.
Die Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich nicht etwa daraus, dass die Rechtsbeschwerdebegründung die Formulierung ,wir rügen die Verletzung materiellen Rechts', aber keine ausdrückliche Verfahrensrüge enthält. Gegen ein Verwerfungsurteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ist die Sachrüge zwar grundsätzlich unzulässig, weil das Verwerfungsurteil naturgemäß keine Ausführungen sachlichen Rechts enthält (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 74 Rdnr. 48b). Unter Umständen kann sich jedoch aus der Sachrüge ergeben, dass die Verwerfung des Einspruchs geprüft werden soll (Göhler, a.a.O.). Dann ist entgegen der falschen Bezeichnung vom Vorliegen einer Verfahrensrüge der falschen Anwendung der prozessualen Regelung des § 74 OWiG auszugehen. So liegt der vorliegende Fall. Der Betroffene begehrt ersichtlich eine Überprüfung der Voraussetzungen für die Verwerfung eines Einspruchs gemäß § 74 Abs. 2 OWiG. Das ergibt sich aus der Formulierung ,... fehlt eine zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung für das Verwerfungsurteil.'
Diese Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nur unter den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG zulässig. Danach muss eine Verfahrensrüge dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung des behaupteten Rechtsfehlers allein anhand der Rechtsbeschwerdebegründung und ohne Rückgriff auf die Akten oder beigefügte Schriftstücke ermöglichen. Diesem Erfordernis wird die Rechtsbeschwerdebegründung gerecht. Der Betroffene führt diesbezüglich aus, dass ihm mit der Ladung keine Belehrung gemäß § 74 Abs. 2 OWiG zugestellt worden sei. Mithin ist die Rechtsbeschwerde mit der Rüge der falschen Anwendung des § 74 Abs. 2 und 3 OWiG zulässig.
Der Rechtsbeschwerde wird m. E. ein vorläufiger Erfolg nicht zu versagen sein. Zwar ergibt sich aus der dienstlichen Erklärung des zuständig gewesenen Richter am Landgericht P. vom 14.01.2004 die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der behauptete Verfahrensfehler nicht vorgelegen hat. Verbleibende Zweifel über das tatsächliche Vorliegen eines behaupteten Verfahrensfehlers gehen im Regelfall auch zu Lasten des Rechtsmittelführers (Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 337 Rdnr. 12); KK-Kuckein, StPO, 4. Aufl. , § 337 Rdnr. 5). Dieser Grundsatz ist im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar, insbesondere gilt eine Ausnahme dann, wenn der fehlende Nachweis in den Verantwortungsbereich der Justizbehörden fällt, weil über die Prozessverhandlungen eine urkundliche Nachweisführung geboten ist (OLG Karlsruhe, MDR 74, 774; Meyer-Goßner, a.a.O....