Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsanteile der Eltern bei Zusammentreffen Minderjähriger mit privilegiert volljährigen Kindern. Wohnvorteil beim Kindesunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Der (Wohn-)Vorteil (BGH v. 5.4.2000 - XII ZR 96/98, MDR 2000, 769 = FamRZ 2000, 950), der mit dem "mietfreien" Wohnen in einem eigenen Haus oder einer eigenen Wohnung verbunden ist, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach einem pauschalen "Drittelwert"(-obergrenze) zu ermitteln.
2. Als Wohnvorteil, dh als Vorteil "mietfreien Wohnens im eigenen Haus", wirkt sich für einen Ehegatten in einer Situation, wenn und soweit er das Haus nicht mehr in vollem Unfange nutzt und bewohnt, nur derjenige Vorteil aus, der dem Umfang seiner tatsächlichen Nutzung entspricht.
3. Der darüber hinausgehende Wert ist als allgemeiner Vermögenswert zu behandeln, hinsichtlich dessen den Ehegatten unterhaltsrechtlich die Obliegenheit zu möglichst ertragreicher Nutzung oder Verwertung trifft, weil auch solche Vermögenswerte die Leistungsfähigkeit erhöhen bzw. die Unterhaltsbedürftigkeit vermindern, die zwar tatsächlich nicht gezogen wurden, aber in zumutbarer Weise erzielt werden können (Vermietung einzelner Teile oder des gesamten Hauses, im Einzelfall sogar Veräußerung).
4. Für die Berechnung des Unterhalts, wenn minderjährige und privilegiert volljährige Kinder zusammentreffen, gilt: Im Mangelfall folgt der Senat Borth (Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., Kap. V, Rz. 167; BGH v. 9.1.2002 - XII ZR 34/00, BGHReport 2002, 498 m. Anm. Hauß = MDR 2002, 826 = FamRZ 2002, 815). Ein Vorwegabzug des Minderjährigenunterhalts beim Kindesvater hätte zur Folge, dass die Mutter, sofern sie hinreichend leistungsfähig ist, unangemessen am Volljährigenunterhalt beteiligt wird, während der Kindesvater zugunsten der weiteren Unterhaltsberechtigten entlastet wird. Zu einer angemessenen Bestimmung der Haftungsanteile führt es, wenn von dem nach Abzug des Selbstbehalts verbleibenden Einkommen des Kindesvaters der Betrag ermittelt wird, der dem Anteil des auf die Kinder entfallenden Bedarfs am Gesamtunterhaltsbedarfs entspricht und sodann dieser Betrag mit dem verfügbaren Einkommen ins Verhältnis gesetzt wird. Dies trägt dem Gleichrang der Unterhaltspflichten und der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Kindesvaters Rechnung.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2 S. 2, § 1606 Abs. 3 S. 1, § 1609 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Worbis (Aktenzeichen F 252/03) |
Tenor
I. Dem Beklagten wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt, soweit er beantragt, ihn zu verurteilen, einen monatlichen Kindesunterhalt
1. an die Klägerin zu 1)
a) in Abänderung der Urkunde des Jugendamtes des Landkreises Eichsfeld vom 4.12.1997, Urk.-Nr. 146/1997, vom 1.7.2003 bis 31.10.2004 i.H.v. 274 EUR, 1.11.2004 bis 15.12.2004 i.H.v. 269 EUR,
b) vom 16.12.2004 bis 30.6.2005 i.H.v. 211 EUR und ab dem 1.7.2005 i.H.v. 227 EUR und
2. an die Klägerin zu 2) in Abänderung der Urkunde des Jugendamtes des Landkreises Eichsfeld vom 4.12.1997, Urk. - Nr. 147/1997,
a) vom 1.7.2003 bis 31.10.2004 i.H.v. 274 EUR,
b) vom 1.11.2004 bis 15.12.2004 i.H.v. 269 EUR,
c) vom 16.12.2004 bis 30.6.2005 i.H.v. 211 EUR und
d) ab dem 1.7.2005 i.H.v. 197 EUR
zu zahlen. Die Zahlungen haben jeweils im voraus bis zum 5. eines jeden Monats zu erfolgen.
II. Im Übrigen wird dem Beklagten Prozesskostenhilfe verweigert.
Gründe
Die Kläger, geboren am 16.12.1986 und 20.3.1990, sind die nichtehelichen Kinder des Beklagten.
Der Beklagte hat sich durch Urkunden des Landkreises Eichsfeld vom 4.12.1997 verpflichtet, an die Klägerin zu 1) (Urkunden-Reg.-Nr. 146/97) und an den Kläger zu 2) (Urkunden-Reg.-Nr. 147/97) ab Vollendung des 12. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. je 341 DM zu zahlen.
Der Beklagte ist Rentner; er bezieht ab dem 1.7.2003 eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente i.H.v. 917,59 EUR und ab dem 1.11.2004 Altersrente i.H.v. monatlich 909,10 EUR. Er verfügt weiter über Pachteinnahmen i.H.v. 3,88 EUR monatlich.
Die Kindesmutter hat in dem Zeitraum Juli 2002 bis Juni 2003 ein Nettoeinkommen i.H.v. 11854,92 EUR, im Monatsdurchschnitt 987,91 EUR erzielt.
Die Kläger haben den Beklagten vor dem AG im Wege der Abänderungsklage auf Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts i.H.v. je 284 EUR beginnend ab dem 1.7.2003 und i.H.v. je 307 EUR ab Zustellung der Klageerweiterung vom 1.1.2005 sowie i.H.v. 356 EUR für die (volljährige) Klägerin zu 1) ab dem 1.3.2005 in Anspruch genommen.
Die Kläger haben vorgetragen, der Beklagte sei insoweit leistungsfähig, da er über monatliche Einkünfte aus
Rente i.H.v. 917,59 EUR,
Pachteinnahmen i.H.v. 3,88 EUR und
ersparten Mietaufwendungen i.H.v. 597 EUR,
insgesamt 1518,47 EUR verfüge.
Unter Berücksichtigung von lediglich zwei Unterhaltspflichten sei eine Höherstufung um eine Einkommensgruppe vorzunehmen.
Der Beklagte verfüge über eine Immobilie, die lastenfrei sei und in der sich eine 260 qm große Wohn...