Leitsatz (amtlich)
Ob im Verfahren über die gerichtliche Festsetzung anwaltlicher Vergütungsansprüche die Bestimmungen der BRAGO oder des RVG zugrunde zu legen sind, richtet sich nach § 61 RVG. Diese Übergangsvorschrift grenzt die Anwendungsbereiche beider Gesetze gegeneinander ab. Damit bestimmt sie nicht nur die konkret einschlägigen Vergütungstatbestände, sondern auch das der Festsetzung dienende Verfahren (Anschluss an KG, Beschluss vom 13.09.2005, 3 Ws 3883/05; OLG Köln AGS 2005, 405); Gegenteiliges lässt sich insbesondere nicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG herleiten, der lediglich die Vergütung des Rechtsanwaltes in einem Rechtsmittelverfahren regelt.
Gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die BRAGO weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem 01.07.2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist.
Für die Ansprüche des Pflichtverteidigers und das ihrer Titulierung dienende Verfahren ist die BRAGO damit weiterhin maßgeblich, wenn die Beiordnung des Rechtsanwaltes durch das Gericht vor dem genannten Stichtag vorgenommen worden ist.
Verfahrensgang
StA Gera (Aktenzeichen 340 Js 17730/96) |
LG Mühlhausen (Aktenzeichen 10 StVK 37/04) |
Tenor
1.
Der Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 25.05.2005 wird aufgehoben, soweit die dem Verteidiger zuerkannten Gebühren einen Betrag von 262,16 € überschreiten.
Der weitergehende Festsetzungsantrag des Verteidigers wird zurückgewiesen.
2.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Verurteilte befindet sich aufgrund Urteils des Landgerichts Gera vom 02.02.1998 im Maßregelvollzug.
Das jährliche Überprüfungsverfahren gem. § 67e StGB führte jeweils zur Anordnung der Unterbringungsfortdauer; eine gegen den dahinlautenden Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 12.11.2003 gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten hat das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 06.02.2004 verworfen.
Mit Beschluss vom 02.06.2004 ordnete das Landgericht Meiningen dem Verurteilten auf dessen Antrag "in der Strafvollstreckungssache ... wegen Unterbringung" unter Entpflichtung seines bisherigen Verteidigers seinen nunmehrigen Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 2 StPO bei.
Mit weiterem Beschluss vom 04.10.2004 bestellte es diesen "in der Strafsache ... wegen Überprüfung der Fortdauer des Maßregelvollzuges gem. § 67e StGB" erneut zum Pflichtverteidiger, wobei es auf die Notwendigkeit einer Bestellung für den jeweils neuen Verfahrensabschnitt hinwies.
Nach im Beisein seines Verteidigers erfolgter Anhörung des Verurteilten am 10.11.2004 ordnete das Landgericht mit Beschluss vom folgenden Tage die Fortdauer der Unterbringung an.
Am 11.11.2004 beantragte der Verteidiger Kostenerstattung gem. § 28 Abs.2 Nr. 1, Abs. 3, 1. Halbsatz BRAGO in Höhe von 36,19 € wegen einer mit dem Verurteilten am 24.08.2004 geführten Vorbesprechung zu dessen Anhörung.
Mit weiterem Antrag vom 11.11.2004 machte der Verteidiger wegen der Vertretung des Verurteilten im Überprüfungsverfahren Gebühren und Auslagen nach dem RVG in Höhe von 583,48 € geltend, die die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auf Grundlage anderer als der vom Verteidiger in Ansatz gebrachten Gebührentatbestände nur im Umfang von 262,16 € anwies.
Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung des Verteidigers vom 25.01.2005 hat das Landgericht Mühlhausen nach Anhörung des Bezirksrevisors mit dem angefochtenen, dem Bezirksrevisor formlos übermittelten Beschluss die dem Verteidiger zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 583,48 € festgesetzt.
Die am 15.6.2005 eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors erstrebt die Kostenfestsetzung in ursprünglicher Höhe von nur 262,16 €; eine Abhilfe hat das Landgericht Mühlhausen mit Beschluss vom 20.07.2005 abgelehnt.
II.
A. Das nach den Bestimmungen der bis zum 30.06.2004 geltenden BRAGO zu beurteilende Rechtsmittel ist sowohl zulässig als auch begründet.
1. Ob im Verfahren über die gerichtliche Festsetzung anwaltlicher Vergütungsansprüche die Bestimmungen der BRAGO oder des RVG zugrunde zu legen sind, richtet sich nach § 61 RVG. Diese Übergangsvorschrift grenzt die Anwendungsbereiche beider Gesetze gegeneinander ab ( Hartmann/Römermann, KostenG, 35 Aufl., § 61, Rdnr. 2; Bischof/ Jungbau-er/Podlech-Trappmann, KompaktKomm RVG, § 61, Rdnr. 1, 6;). Damit bestimmt sie nicht nur die konkret einschlägigen Vergütungstatbestände ( Madert/v.Eicken, RVG, 17. Aufl., § 61, Rdnr. 1; Gottlieb/Mümmler, RVG, Stichw. Übergangsregelung), sondern auch das deren Festsetzung dienende Verfahren (KG, Beschluss vom 13.09.2005, 3 Ws 383/05; OLG Köln, AGS 2005, 405); Gegenteiliges lässt sich insbesondere nicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG herleiten, der lediglich die Vergütung des Rechtsanwaltes in einem Rechtsmittelverfahren regelt (a.A. insoweit OLG Hamm, RVGreport 2005, 221, 222, jew.zit.n.juris; LAG Bremen, JurBüro 2005, 95, 96)
Gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die BRAGO weiter anzuwenden, wenn...