Entscheidungsstichwort (Thema)
Betäubungsmittelstrafrecht: Feststellung der Betäubungsmitteleigenschaft, ESA-Drogenwirkstoff-Test/ESA-Schnelltest
Leitsatz (redaktionell)
1. Der gerichtliche Nachweis des Besitzes von Betäubungsmitteln ist in der Regel nicht allein aufgrund eines Schnelltestergebnisses möglich, sondern kann nur aufgrund eines anerkannten substanzspezifischen chemischen Untersuchungsergebnisses bzw. aufgrund eines entsprechenden Sachverständigengutachtens erfolgen kann. Dies gilt auch im Falle der Durchführung eines sog. ESA-Schnelltestes.
2. Der ESA-Schnelltest ist nicht als abgesichertes und in der Praxis als zuverlässig anerkanntes Standardtestverfahren bekannt. Im Gegenteil birgt gerade der ESA-Schnelltest in besonderer Weise die Gefahr der Fehlbestimmung von Substanzen (aufgrund systemimmanenter Ungenauigkeiten, aber auch infolge fehlerhafter Handhabung und Auswertung).
3. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil das Tatgericht zu Geschmack, Geruch, Konsistenz und Morphologie der im Beutel befindlichen Substanz keine Feststellungen getroffen und diese demgemäß auch nicht in seine richterliche Überzeugungsbildung einbezogen hat.
4. a) Zwar setzt die Verwirklichung des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG nicht das Vorliegen einer Mindestmenge an Rauschgift voraus. Für den Schuldspruch ist daher die Feststellung genügend, dass der Angeklagte eine bestimmte Menge Haschisch besessen hat. Davon zu trennen ist die den Rechtsfolgenausspruch betreffende Frage, ob die Tatsachenfeststellungen für eine Bestimmung des Schuldumfangs im Einzelfall ausreichen.
b) Der Ausspruch über die Rechtsfolgen kann grundsätzlich keinen Bestand haben, wenn das Urteil keinerlei Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und -menge des gehandelten Rauschgifts enthält und damit einen für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand außer Betracht gelassen hat.
Verfahrensgang
AG Lobenstein (Urteil vom 27.10.2004; Aktenzeichen 651 Js 4451/04 - 3 Cs jug.) |
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Lobenstein vom 27.10.2004 (Az.: 651 Js 4451/04 - 3 Cs jug.) wurde der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen. Diesem wurde auferlegt, bis zum 28.02.2005 500,- EUR an eine näher bezeichnete gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Ferner wurde er angewiesen, bis zum 31.12.2004 an 3 Terminen der Suchtberatung teilzunehmen, im Januar 2005 ein sog. Drogen-Screening einer anerkannten Laboreinrichtung vorzulegen sowie dem Gericht die Auflagenerfüllung fristgerecht nachzuweisen.
Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 03.11.2004, eingegangen beim Amtsgericht Lobenstein am selben Tag, Rechtsmittel eingelegt. Nach am 02.12.2004 erfolgter Urteilszustellung hat der Verteidiger des Angeklagten das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 29.12.2004, eingegangen beim Amtsgericht Lobenstein am selben Tag, als Revision bezeichnet. Gerügt wird näher ausgeführt die Verletzung materiellen Rechts.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 09.08.2005 beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Lobenstein vom 27.10.2004 mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Lobenstein zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat in der Sache (vorläufig) Erfolg.
1. Der Schuldspruch der angefochtenen Entscheidung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Sachrüge deckt einen die Revision begründenden Rechtsfehler in der Beweiswürdigung auf.
a) Die Überzeugungsbildung des Tatrichters ist durch das Revisionsgericht nur in begrenztem Umfang nachprüfbar. Das Revisionsgericht ist grundsätzlich an die Überzeugungsbildung des Tatrichters gebunden. Es hat dessen Entscheidungen hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (BGH St 10, 208, 210). Zu überprüfen hat es die Beweiswürdigung lediglich auf Rechtsfehler. Solche liegen dann vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich ist, Lücken oder Unklarheiten aufweist, Verstöße gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse enthält oder wenn das Tatgericht die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt hat, insbesondere nahe liegende andere Möglichkeiten außer Betracht gelassen hat. Auch dürfen sich die richterlichen Feststellungen nicht so weit von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 337 Rn. 26 ff.).
b) Vorliegend hat das Amtsgericht Lobenstein, seine Überzeugung, der Angeklagte habe am 06.02.2004 um 21.30 Uhr in L., 46,9 g Haschisch bei sich geführt, aufgrund folgender Erwägungen gewonnen:
"Der Angeklagte machte keine Angaben zur Sache.
Als Mitglied der Ermittlergruppe der Polizeiinspektion Saale-Orla berichtete PHM F. aus sicherer Er...