Leitsatz (amtlich)
Eine "Benutzung eines Mobiltelefons" i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO liegt nicht nur dann vor, wenn das Gerät zum Telefonieren verwendet wird, sondern auch bei jeder anderen bestimmungsgemäßen Verwendung, insb. - wie hier - beim Gebrauch als Diktiergerät.
Normenkette
StVO § 23 Abs. 1a, § 49 Abs. 1 Nr. 22
Verfahrensgang
AG Sömmerda (Urteil vom 10.11.2005; Aktenzeichen 630 Js 203133/04-1 Owi) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe verworfen, dass der Betroffene der fahrlässigen Überschreitung der innerhalb geschlossener Ortschaft zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 10 km/h in Tateinheit mit vorsätzlicher Benutzung eines Mobiltelefons durch Halten des Mobiltelefons schuldig ist.
Gründe
I. Das Thüringer Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle - setzte gegen den Betroffen wegen zweier am 12.6.2004 begangener Ordnungswidrigkeiten - Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 10 km/h und verbotswidriges Benutzens eines Mobiltelefons - eine Geldbuße i.H.v. 50 EUR fest.
Gegen diesen am 3.9.2004 zugestellten Bußgeldbescheid legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 13.9.2004 Einspruch ein.
Daraufhin verurteilte ihn das AG Sömmerda am 10.11.2005 in Anwesenheit wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 10 km/h in Tateinheit mit fahrlässigem verbotswidrigen Benutzen eines Mobiltelefons durch Aufnehmen desselben beim Führen eines Kraftfahrzeugs zu einer Geldbuße i.H.v. 50 EUR.
Am 17.11.2005 beantragte der Betroffene durch seinen Verteidiger, die Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil zuzulassen. Das mit Gründen versehene schriftlich abgefasste Urteil wurde dem Verteidiger des Betroffenen am 21.12.2005 zugestellt. Der Betroffene begründete die Rechtsbeschwerde am 20.1.2006 durch seinen Verteidiger mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 11.4.2006 beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Mit Beschluss vom 15.5.2006 ist die Rechtsbeschwerde zugelassen und die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden.
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das AG hat die folgenden tatsächlichen Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene befuhr am 12.6.2004 um 10.56 Uhr als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... die B 85 (Ortsdurchfahrt) in O. im Landkreis S. mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist dort auf 50 km/h begrenzt. Dies hätte der Betroffene erkennen und diese Geschwindigkeit auch einhalten können. Während der Fahrt hielt der Betroffene zum oben genannten Zeitpunkt ein Mobiltelefon des Fabrikats M. in der zum rechten Ohr geführten rechten Hand und sprach Informationen auf das Gerät. Das Mobiltelefon verfügte über eine Diktierfunktion. Die SIM-Karte war dem Mobiltelefon entnommen worden, so dass es nicht zum Telefonieren benutzt werden konnte."
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 10 km/h gem. §§ 3 Abs. 3 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, § 24 StVG.
Es bedurfte keiner Feststellungen zum Messverfahren und zu dem in Abzug gebrachten Toleranzwert, da der Betroffene für das AG glaubhaft eingeräumt hat, die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeit gefahren zu sein.
3. Ebenfalls zutreffend hat das AG aufgrund der getroffenen tatsächlichen Feststellung angenommen, dass der Betroffene den objektiven Tatbestand des Benutzens eines Mobiltelefons mittels Haltens des Mobiltelefons gem. §§ 23 Abs. 1a S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO § 24 StVG erfüllt hat.
Eine "Benutzung eines Mobiltelefons" im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht nur dann vor, wenn das Gerät zum Telefonieren verwendet wird, sondern auch bei jeder anderen bestimmungsgemäßen Verwendung, insb. - wie hier - beim Gebrauch als Diktiergerät.
Der Gesetzeswortlaut steht dieser Auslegung nicht entgegen, sondern legt sie eher nahe (ebenso OLG Köln VRS 109, 287 [288]; OLG Hamm NZV 2003, 98 [99]; Schäpe, Anm. zu OLG Köln DAR 2005, 695 und OLG Hamm DAR 2005, 639, DAR 2005, 696 [697]). Der Begriff der Benutzung schließt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen der nach üblichem Verständnis als Mobiltelefon bezeichneten Geräte ein. Dafür, dass das Mobiltelefon "als Telefon" genutzt werden müsse (so Scheffler, NZV 2006, 128 [129]) ist dem Gesetzeswortlaut nichts zu entnehmen. Wenn der Verordnungsgeber den Anwendungsbereich der Norm in dieser Weise hätte einschränken wollen, wäre dies unschwer durch eine entsprechende Fassung des Textes möglich gewesen.
Den Gesetzesmaterialien ist im Gegenteil eindeutig zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber nicht allein das Telefonieren ohne Freisprechanlage untersagen wollte. So heißt es in der Begründung zur Einführung ...