Leitsatz (amtlich)
Zum Verkehrsverständnis betreffend das Gründungsjahr einer Porzellanmanufaktur.
Zur sekundären Darlegungslast des Unterlassungsschuldners wegen einer irreführenden Angabe betreffend das Gründungsjahr, wenn dieser die Angaben zum Gründungsjahr seines Betriebes nach vielen Jahren ändert.
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 12.10.2007; Aktenzeichen 2 HKO 141/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Gera vom 12.10.2007 - 2 HKO 141/07, abgeändert.
Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr mit der Aussage zu werben oder werben zu lassen, die Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur sei 1760 gegründet worden, dies insbesondere durch Verwendung des von der Jahreszahl 1762 auf die Jahreszahl 1760 veränderten Signets "Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur", und durch schriftliche und mündliche Äußerungen derart, dass die Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur bereits 1760 gegründet sei.
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen.
Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung darf erst nach Erbringung einer Sicherheitsleistung durch die Verfügungsklägerin i.H.v. 150.000 EUR erfolgen.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Porzellanmanufaktur. Die Verfügungsbeklagte verwendet Werbematerialien und ein Signet (Bodenmarke), im Rahmen derer zusammen mit einem Bildzeichen und der Firma "Aelteste Volkstedter" auf das Jahr 1760 Bezug genommen wird. 1760 hatte Georg Macheleid nach seiner (Wieder-)Entdeckung des Porzellans ein Privileg durch den Fürsten Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt erhalten. Noch bis zu einem Zeitpunkt im Jahre 2006 - im Einzelnen streitig - verwendete die Verfügungsbeklagte bzw. ihre Rechtsvorgänger werbemäßig die Jahresangabe 1762. Die Verfügungsklägerin sieht in der ihrer Auffassung nach das Gründungsdatum der Verfügungsbeklagten nicht richtig wiedergebenden Verwendung der Jahresangabe 1760 eine Irreführung der Verbraucher und hat eine Unterlassungsverfügung beantragt. Das LG hat den Antrag auf Erlass einer Unterlassungsverfügung zurückgewiesen, weil die Verfügungsklägerin die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch wegen Irreführung nicht habe glaubhaft machen können. Die vorgelegten historischen Quellen seien insoweit nicht belastbar. Mit der Berufung rügt die Verfügungsklägerin die rechtliche Bewertung durch das LG und beruft sich auf einen zu ihren Gunsten sprechenden Anscheinsbeweis. Die Verfügungsbeklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Wegen der umfangreichen, auszugsweise in Kopie zur Glaubhaftmachung vorgelegten historischen Abhandlungen wird auf die Anlagen zu den Schriftsätzen der Parteien Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und zum Erlass der begehrten Verfügung, deren Vollziehung allerdings von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig ist.
1. Der aus dem Urteilstenor erkennbare Verfügungsantrag ist, nachdem die Verfügungsklägerin ihn auf die Hinweise des Senats geändert und dabei die Formulierung "Eindruck erwecken" ersetzt hat, ausreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2. Es fehlt auch nicht an der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Dringlichkeit. Für das Eilbedürfnis streitet in Wettbewerbssachen zunächst die Vermutung nach § 12 Abs. 2 UWG. Diese Vermutung ist nicht deshalb wiederlegt, weil die Verfügungsklägerin nach Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß zu lange zugewartet hätte, bis sie am 23.7.2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim LG eingereicht hat. Die Verfügungsklägerin trägt vor, und hat dies auch durch eidesstattliche Versicherung des Uwe Hermann glaubhaft gemacht, sie habe erst am 4.7.2007 Kenntnis von der geänderten Jahreszahlenangabe auf Produkten bzw. Werbeschreiben der Verfügungsbeklagten erhalten. Leicht abweichend hiervon trägt sie mit der Antragsschrift auch vor, seit dem 29.6.2007 seien in Rudolstadt Werbetafeln für die "Gläserne Manufaktur" zu sehen, die ebenfalls das Signet der Verfügungsbeklagten mit der Jahreszahl 1760 zeigen. Eine Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß etwa einen Monat vor Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach der einzelfallbezogenen Rechtsprechung des Senats keinesfalls dringlichkeitsschädlich. Soweit die Verfügungsbeklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass sie bereits im Jahr 2006 auf Werbematerialien die Jahreszahl auf ihrem Signet in 1760 umgeändert hatte, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die Verfügungsbeklagte, die insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist (OLG Karlsruhe GRUR 1995, 510), hat damit keine (allein maßgebliche) positiv...