Leitsatz (amtlich)
1. Führt der Unfallversicherungsträger in einem ablehnenden Bescheid aus, Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger gemäß § 105 Abs. 2 SGB VII bestünden nicht, weil eine zivilrechtliche Haftung des Schädigers zu verneinen sei, so sind daran die Zivilgerichte nicht gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII gebunden.
2. Eine die Zivilgerichte bindende Entscheidung im Sinne des § 108 Abs. 1 SGB VII, ob ein Wie-Beschäftigter gehandelt hat, liegt nur vor, wenn sich dem Bescheid entnehmen lässt, dass der Sozialversicherungsträger diese Frage geprüft und entschieden hat.
Verfahrensgang
LG Gera (Aktenzeichen 3 O 556/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 23.10.2019, Az. 3 O 556/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für immaterielle Schäden aufgrund eines Unfallereignisses vom 23.03.2016.
Am 23.03.2016 half der Beklagte dem Kläger, seinem Sohn, beim Pflastern von dessen Auffahrt. Sie bereiteten die Auffahrt für das Pflastern vor und transportierten u.a. angelieferte Steine von ihrem Lagerort an der Straße zur Auffahrt. Das Pflastern selbst wurde anschließend durch eine Fachfirma durchgeführt. Nach Fertigstellen der Pflasterarbeiten wollten die Parteien die übrig gebliebenen Pflastersteine mit einem Bagger, den der Kläger ausgeliehen hatte, von der Straße auf das Grundstück des Klägers umlagern. Als sie feststellten, dass die Steine teilweise von der Baggerschaufel nicht aufgenommen werden konnten und wieder aus dieser herausfielen, trat der Kläger zwischen die Baggerschaufel und den Schiebeschild des Baggers, um die Pflastersteine per Hand aufzulegen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beklagte im Führerhaus des Baggers. Dort betätigte er aus Versehen einen Hebel, was dazu führte, dass die Baggerschaufel in Bewegung geriet und den Kläger - insbesondere durch Zerquetschen des linken Beines - erheblich verletzte. Wegen der konkreten Verletzungsfolgen wird auf die unbestrittenen Ausführungen in der Klageschrift (Bl. 4 f. d.A.) und die dort in Bezug genommenen Anlagen K2 bis K5 verwiesen.
Der Beklagte unterhielt zum Unfallzeitpunkt bei der ... eine allgemeine Haftpflichtversicherung zu der Versicherungsscheinnummer ..., in der u.a. für Personenschäden eine Versicherungssumme bis zu EUR 2.000.000,00 vereinbart war.
Mit rechtskräftig gewordenen Bescheid vom 29.01.2019 verneinte der Unfallversicherungsträger, die B., einen Arbeitsunfall des Klägers i.S.d. SGB VII, weshalb er keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 29.01.2019 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 23.10.2019 hat das Landgericht antragsgemäß festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger zum Ersatz sämtlicher immaterieller Schäden aufgrund des Schadensereignisses vom 23.03.2016 verpflichtet sei, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder anderweitige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen, und die Klage lediglich im Hinblick auf die begehrten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten abgewiesen. Es hat dies zusammengefasst damit begründet, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden nach § 823 Abs. 1, § 253 BGB habe. Die Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB seien erfüllt. Ein Haftungsausschluss sei nicht vereinbart und ergebe sich auch nicht nach §§ 104 ff. SGB VII, da durch die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers mit bestandskräftigen Bescheid vom 29.01.2019 festgestellt worden sei, dass kein Arbeitsunfall vorliege, und das Landgericht an diese Feststellung gebunden sei. Ein Mitverschulden müsse sich der Kläger nicht anrechnen lassen. Werkvertragliche Grundsätze seien nicht anzuwenden, da es sich um eine unentgeltliche, familiäre Hilfeleistung gehandelt habe. Den Kläger treffe auch kein Auswahlverschulden, da der Beklagte beruflichen Umgang mit Baggern gehabt habe.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Der Beklagte ist zusammengefasst der Ansicht, dass die Zivilgerichte auch an die Feststellung der B. in dem rechtskräftigen Bescheid vom 29.01.2019 gebunden seien, dass eine zivilrechtliche Ersatzpflicht nicht bestehe, so dass die Klage ohne weitere eigene Prüfung durch die Zivilgerichte abzuweisen sei.
Darüber hinaus habe die B. mit ihrem Bescheid auch - für die Zivilgerichte bindend - die Eigenschaft des Beklagten ...