Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 29.04.2010; Aktenzeichen 1 HKO 62/10) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des LG Gera vom 29.4.2010 - 1 HKO 62/10, wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche ggü. der Verfügungsbeklagten geltend, die deren Widerrufsbelehrung bzw. Geschäftsbedingungen beim Verkauf von Autoteilen über die Verkaufsplattform eBay im Internet betreffen. Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit als unzulässig zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin. Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 542 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen durch die Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG ist und dieser deshalb die erforderliche Antragsbefugnis fehlt.
2. § 8 Abs. 4 UWG stellt eine dem Systemschutz des deutschen Wettbewerbsrechts dienende Begrenzung der Befugnisse der Gläubiger wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche dar (BGH GRUR 2002, 357 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs die Verfolgung sachfremder Ziele ist. Dies muss nicht das alleinige Ziel sein, ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH GRUR 2006, 243 - MEGA SALE). Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Abwägung der gesamten Umstände des Falles zu beurteilen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können (KG GRUR-RR 2008, 212). In die Beurteilung einfließen kann auch das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten, aber auch anderer Wettbewerbsverstöße (GRUR 2000, 1089 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; Senat Magazindienst 2008, 936). Die Frage des Rechtsmissbrauchs ist im Wege des Freibeweises jederzeit von Amts wegen zu prüfen (Fritzsche in MünchKomm/UWG § 8 Rz. 476). Zwar muss der Verfügungsbeklagte Tatsachen vortragen und notfalls beweisen, die für das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Verfügungsklägerin sprechen. Vorliegend hat der Verfügungsbeklagte aber in ausreichendem Umfang unstreitige Indizien vorgetragen bzw. Tatsachen glaubhaft gemacht, die für eine missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sprechen und die die an sich für die Verfügungsklägerin streitende Vermutung der bestehenden Antragsbefugnis erschüttern. In dieser Situation hätte es der Verfügungsklägerin oblegen, diese Umstände bzw. Indizien zu entkräften (BGH GRUR 2006, 243 - MEGA SALE; Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, Kap. 20 Rz. 6). Dies ist ihr jedoch nicht gelungen. Vielmehr bleibt eine ganze Reihe von Umständen bestehen, die in ihrer Gesamtschau für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Verfügungsklägerin i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG sprechen.
a) Die Verfügungsklägerin hat Abmahnungen in erheblicher Anzahl ausgesprochen.
So sind bei dem LG Leipzig in einem Zeitraum von etwa neun Monaten 65 Verfahren anhängig geworden, die die Verfügungsklägerin nach wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen angestrebt hat. Außerdem sind beim LG Gera in einem Zeitraum von nur etwa drei Monaten dreizehn solcher Verfahren anhängig geworden. Diese vom LG Leipzig bzw. vom LG Gera festgestellten Zahlen, wie sie durch entsprechende Urteilstatbestände glaubhaft gemacht sind, belegen, dass die Verfügungsklägerin in einem bestimmten Zeitraum wettbewerbsrechtliche Abmahnungen in großer Zahl ausgesprochen hat. Da die Verfügungsklägerin trotz der berechtigten Aufforderung des LG keine konkreten Angaben zur Zahl der von ihr ausgesprochenen Abmahnungen bzw. anhängig gemachten Verfahren gemacht hat, ist davon auszugehen, dass die Verfügungsklägerin in weit mehr als in den den 78 gerichtlichen Verfahren zugrunde liegenden Fällen Abmahnungen ausgesprochen hat.
Zwar ist die Anzahl der ausgesprochenen Abmahnungen für sich allein kein ausschlaggebendes Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen (OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 56; Senat Magazindienst 2008, 936). Jedoch spricht die hohe Zahl der Abmahnungen in der Zusammenschau mit den weiteren Indizien dafür, dass die Verfügungsklägerin bei der Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen überwiegend von sachfremden Motiven geleitet wird und nachvollziehbare wirtschaftliche oder wettbewerbspolitische Gründe demgegenüber keine entscheidende Rolle spielen.
b) Die Abmahnungen betreffen regelmäßig wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen falscher Widerrufsbelehrungen bzw. Geschäftsbedingungen im Internet, überwiegend bei eBay.
Damit steht fest, dass die...