Leitsatz (amtlich)
1. Auch eine notarielle Urkunde i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist ein "nicht bloß vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel" i.S.d. § 135 HGB.
2. Im Falle einer Kündigung der Gesellschaft durch den Privatgläubiger nach § 135 HGB trägt der Gesellschafter, dessen Auseinandersetzungsanspruch der Privatgläubiger gepfändet hat, die Beweislast dafür, dass der zugrunde liegende Titel nicht mehr vollstreckbar ist. Der Privatgläubiger muss grundsätzlich auch nicht darlegen und beweisen, dass die dem Titel zugrunde liegende Forderung noch besteht.
3. Es ist nur unter besonderen Umständen rechtsmissbräuchlich, vom Recht des § 135 HGB Gebrauch zu machen.
Dass der Gläubiger gegen weitere Gesamtschuldner vorgehen könnte, reicht hierzu jedenfalls nicht. Auch die Vernichtung der gekündigten Gesellschaft ist - wie sich aus § 135 HGB selbst ergibt - hinzunehmen.
Normenkette
HGB § 135; ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Urteil vom 19.07.2007; Aktenzeichen 1 HKO 146/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Mühlhausen vom 19.7.2007 - 1 HKO 146/06, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird festgesetzt auf 15.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Auflösung der D.-J.- H. Ferkelerzeuger KG durch Kündigung des Klägers als Privatgläubiger des Beklagten zu 1) gem. § 135 HGB. Gesellschafter der D.-J.- H. Ferkelerzeuger KG sind neben dem Beklagten zu 1) als Komplementär die Beklagte zu 2) sowie Herr T. J. als Kommanditisten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG Mühlhausen hat dem Antrag des Klägers auf Feststellung der Auflösung der D.-J.- H. Ferkelerzeuger KG zum 30.6.2006 durch Urteil vom 19.7.2007 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, der Kläger habe die D.-J.-H. Ferkelerzeuger KG wirksam zum Ende des Geschäftsjahres (30.6.2006) gekündigt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Kündigungserklärungen in der Nacht vom 30. auf den 31.12.2005 in die Briefkästen sämtlicher Gesellschafter der D. J. H. Ferkelerzeuger KG eingeworfen worden seien. Die Privatgläubigerkündigung durch den Kläger habe zum Ausscheiden des einzigen Komplementärs der D.-J. H. Ferkelerzeuger KG, des Beklagten zu 1), und damit zur Auflösung der Gesellschaft geführt. Die Angriffe der Beklagten gegen den der Privatgläubigerkündigung zugrunde liegenden Titel, die vollstreckbare notarielle Urkunde vom 15.12.2000, sowie gegen den seitens des Klägers erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss seien unerheblich. Titel sowie Pfändungs- und Überweisungsbeschluss seien ordnungsgemäß ergangen und hätten von dem Beklagten zu 1) ggf. mit eigenen Rechtsbehelfen angegriffen werden müssen. Die Erfüllung der titulierten Forderung sei im Übrigen von den Beklagten weder substantiiert dargelegt noch in geeigneter Weise unter Beweis gestellt worden. Der Einwand, die beurkundete Forderung hätte entgegen dem Wortlaut der Urkunde vollständig von der Gut W. KG beglichen werden sollen, sei nicht geeignet, die Mithaftung des Beklagten zu 1) zu beseitigen. Auch könne die Urkunde nicht als Scheingeschäft betrachtet werden. Die Behauptung der Beklagten, dass entgegen dem Wortlaut der Urkunde nur die Gut W. KG zur Zahlung verpflichtet sein sollte, laufe auf einen geheimen Vorbehalt hinaus, der nach § 116 BGB unbeachtlich sei.
Die Beklagten haben gegen das ihnen am 26.7.2007 zugestellte Urteil des LG Mühlhausen am 22.8.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 26.10.2008 mit einem am 26.10.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagten verfolgen ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie machen geltend, das LG habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die notarielle Urkunde vom 15.12.2000 einen "nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitel" i.S.d. § 135 HGB darstelle und demnach der Kläger mit Blick auf seinen gegen den Beklagten zu 1) behauptete Forderung aus der notariellen Urkunde ein Recht zur (Privatgläubiger-)Kündigung der D.-J. H. Ferkelerzeuger KG habe. Da die von dem Kläger zur Rechtfertigung der Privatgläubigerkündigung herangezogene notarielle Urkunde nicht der Rechtskraft fähig sei, komme ihr lediglich die Qualität eines vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels zu. Die vollstreckbare Urkunde gewähre im Gegensatz zu einem rechtskräftigen Urteil keine hinreichende Sicherheit zur Feststellung der tatsächlich bestehenden Gläubigerschaft für einen nach der Urkundenerrichtung liegenden Zeitpunkt. Zudem sei das LG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Beklagten seien für die von ihnen erhobene Behauptung der Erfüllung der Darlehensforderung darlegungs- und beweisbelastet. Da Gegenstand des Verfahrens die Privatgläubigerkündigung des Klägers sei, müsse dieser d...