Entscheidungsstichwort (Thema)
Volljährigenunterhalt: Anspruch auf Ausbildungsunterhalt bei Wechsel der Erstausbildung
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt kann auch dann noch bestehen, wenn zwischen Schulabbruch (hier: Nichtbestehen des Abiturs) und der Aufnahme der Ausbildung (nach dem Ausbildungswechsel) vier Jahre liegen, wenn der Unterhaltsberechtigte zwischenzeitlich ein Jahr krank war und während eines weiteren Jahres seinen Realschulabschluss nachgeholt hat.
Normenkette
BGB § 1610 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Mühlhausen (Urteil vom 27.06.2008; Aktenzeichen 2 F 327/07) |
Tenor
I. Der Beklagte wird in Abänderung des Urteils des AG - FamG - Mühlhausen vom 27.6.2008 - 2 F 327/07, verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen durch Vorlage einer systematischen Aufstellung über das Nettoeinkommen des Beklagten im Zeitraum vom 1.4.2006 bis 30.6.2007 durch Vorlage
- der Gehaltsabrechungen des Arbeitgebers im Auskunftszeitraum,
- des Steuerbescheides für das Jahr 2006, sofern dieser noch nicht vorliegt, für das Jahr 2005,
- sowie der Steuererklärung für das Jahr 2006,
- sofern der Beklagte Einkünfte aus Arbeitslosengeld, Krankengeld, Rente wegen altersverminderter Erwerbstätigkeit, Rente nach BVG und BEG im vorgenannten Zeitraum erhalten hat, durch Vorlage der für das Jahr 2006 ergangenen Bescheide der zuständigen Versicherungsträgrer,
- sofern der Beklagte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat, durch Vorlage der Einnahmenüberschussrechnung für das Jahr 2006 und der Anlage V (Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuererklärung) sowie der Anlage FW (selbstgenutztes Wohnungseigentum) zur Steuerklärung für das Jahr 2006 und hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen durch Vorlage der KAP (Kapitaleinkünfte zur Steuererklärung für das Jahr 2006 und durch Vorlage einer Bankbestätigung).
II. Im Übrigen wird das Verfahren zur Entscheidung über den Antrag zu 2) der Klägerin auf Zahlung von Volljährigenunterhalt ab dem 1.7.2007 an das AG - FamG - Mühlhausen zurückverweisen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Urteil ist zu Ziff. I. vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin, die am 15.3.1983 geboren ist, nimmt den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung und Zahlung des sich daraus ergebenden Unterhaltsbetrages ab dem 1.6.2007 in Anspruch.
Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 30.4.2007 ab 11/2006 Bafög verweigert, weil das einzusetzende Einkommen des Vaters i.H.v. 414,79 EUR ihren Bedarf übersteige.
Die Klägerin hat zu ihrem Werdegang angegeben:
5/02: Schulabbruch
9/02-11/02: Ausbildung zur Zahnarzthelferin in München
11/02-2/03: Suche nach Ausbildungsplatz als Zahnarzthelferin in Berlin Minijob bei M. P. in Berlin
3/03: Umzug nach Mühlhausen, Ausbildungsstelle ab Ausbildungsjahr 2003/04 in Geismar gefunden, Vorstellungsgespräch
18.5.2003: schwerer Verkehrsunfall, arbeitsunfähig bis 4/04
9/04-7/05: Erwerb der Realschulreife
5/04-9/06: Nebenjob bei R. Treuhand GmbH
7/05-10/06 Suche nach einem Ausbildungsplatz
2/06-4/06: 7 Ablehnungsschreiben für Ausbildung als Zahnarzthelferin
Klägerin kann 2005 die Ausbildung zur Logopädin nicht antreten (S-Laut fehlt); diese VS ist 2006 behoben.
11/06: Beginn der Ausbildung zur Logopädin an einer Privatschule in Erfurt. Das Ausbildungsende ist 10/09. Das Schulgeld beträgt 300 EUR/Monat.
Wegen der näheren Einzelheiten des Vortrages der Parteien und der Antragstellung wird Bezug genommen auf die Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil, das von einem Beginn der geltend gemachten Unterhaltspflicht ab dem 1.7.2007 ausgeht (Bl. 68 - 70d A).
Das AG hat eine Entscheidung durch Endurteil getroffen, weil schon die Prüfung des Auskunftsanspruches ergebe, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehle (BGH NJW 2002, 1042). Die Klägerin könne keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Unterhaltszahlung geltend machen, weshalb der Beklagte nicht verpflichtet sei, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen.
Der Berechtigte sei im Verhältnis zum Verpflichteten gehalten, die Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit zu fördern, damit er sie innerhalb einer angemessenen und üblichen Zeit beenden könne. Zugestanden werde zwar eine Überlegungsfrist nach der Beendigung der allgemeinen Schullaufbahn. Die Klägerin habe ihre Ausbildungsobliegenheit vernachlässigt, indem sie von München nach Berlin gezogen sei, um demselben Ausbildungsberuf zu ergreifen, und dies erneut in Kenntnis der auch in Berlin überdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten. Nach ihrem Umzug nach Mühlhausen habe sie sich erneut und offenbar erfolgreich in Mühlhausen um eine Ausbildung als Zahnarzthelferin bemüht. Sie habe damit eine ihr obliegende Pflicht zumindest nachlässig nicht erfüllt, ihre Ausbildung zügig und mit der gebotenen Anstrengung zu absolvieren. Auch wenn man zugestehe, dass die Klägerin - einem Bekunden zufolge - wohlwollend unter Umständen als "Spätstarterin" eingestuft werden könne, sei seit den missglückten ...