Leitsatz (amtlich)

1. Dem Straßenbaulastträger obliegt im Rahmen der in Thüringen hoheitlich ausgestalteten Straßenverkehrssicherungspflicht (§ 10 ThürStrG) auch die Pflicht, den Straßenverkehr vor herabbrechenden Straßenbäumen zu schützen. In diesem Zusammenhang sind die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, die bis zur Entfernung eines nicht (mehr) standsicheren Baumes gehen können. Ein Straßenbaum ist dann nicht mehr stand- bzw. bruchsicher, wenn auf Grund einer Schädigung des Baumes die nahe liegende Möglichkeit besteht, dass ganze Äste oder der Baum selbst abbrechen und unvermittelt auf die Straße stürzen können.

2. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (des Straßenbaulast-trägers; hier Gemeinde) liegt aber nur dann vor, wenn Anzeichen oder sog. "Gefahrzeichen" bei den erforderlichen Baumkontrollen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf die weitere Gefahr des Abbrechens oder Umfallens (des Baumes) hinweisen. Hätte die auf einer Fäulnis (des Straßenbaumes) beruhende Gefahr bei sorgfältiger und ordnungsgemäßer Baumkontrolle erkannt und ihr mithin (noch) wirksam entgegen gewirkt werden können, ist die auf unterbliebener Kontrolle beruhende Pflichtverletzung (des Straßenbaulastträgers; hier Gemeinde) schuldhaft und begründet eine Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungs-pflicht.

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Urteil vom 04.09.2007; Aktenzeichen 2 O 503/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Meiningen vom 4.9.2007 - 2 O 503/07 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.053,12 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.4.2007 sowie 446,13 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 4.200,32 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten in Bezug auf ihr am 18.1.2007 durch einen umstürzenden Baum beschädigtes Kfz, einen zum Unfallzeitpunkt 9 Jahre alten Skoda Oktavia, geltend.

In zweiter Instanz ist unstreitig, dass eine ca. 55 bis 60 Jahre alte, schon fäulnisbedingt stark vorgeschädigte Pappel gegen 19.30 Uhr auf den in der Urnshäuser Straße 11 in Wiesenthal abgestellten Pkw der Klägerin fiel und diesen beschädigte (wirtschaftlicher Totalschaden). Das LG hat nach Beweisaufnahme über den Schadensgrund die Klage abgewiesen, weil es trotz unterbliebener Baumkontrolle (durch Bedienstete der verkehrsicherungspflichtigen Beklagten) davon ausgegangen ist, dass der von der Substanz her vorgeschädigte Baum nicht schadensursächlich war. Vielmehr sei auf Grund der zum Unfallzeitpunkt am Unfallort herrschenden Windverhältnisse durch den Sturm "Kyrill" davon auszugehen, dass dieser schadensursächlich gewesen sei, es sich mithin um ein unabwendbares Naturereignis gehandelt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf das genannte Urteil des LG Meiningen Bezug genommen.

Gegen das ihr am 18.9.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 5.10.2007 - Eingang bei Gericht am 8.10.2007 - begründet Berufung eingelegt. Sie rügt, dass das Erstgericht über die Vorschädigung des Baumes, die dadurch bedingte fehlende Standsicherheit, die sie als maßgebliche Schadensursache ansieht, trotz Beweisantritts (Sachverständigengutachten) keinen Beweis erhoben habe. Sie bleibt dabei, dass der Beklagten bei regelmäßiger und ordnungsgemäßer Baumkontrolle die mangelnde Standsicherheit (der Pappel) aufgefallen, mithin bei rechtzeitiger Entfernung des Baumes der Unfall vermieden worden wäre. Wegen der Berufungsbegründung im Übrigen wird auf den genannten Berufungsschriftsatz (der Klägerin) ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.200,32 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.4.2007 sowie 446,13 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt - unter Verteidigung des Urteils des LG Meiningen - die Berufung zurückzuweisen; und (vorsorglich) Revisionszulassung.

Sie ist der Auffassung, äußere Schadanzeichen seien auch bei regelmäßiger Baumkontrolle an dem Baum nicht erkennbar gewesen, da der Baum an einer Stelle abgeknickt sei, welche vom Erdreich bedeckt gewesen sei. Wegen der Berufungserwiderung im Übrigen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 1.11.2007 Bezug genommen.

Der Senat hat über die Schadensursächlichkeit der Vorschädigung (des streitgegenständlichen Baumes) und dessen Erkennbarkeit Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens eines Baumsachverständigen. Auf das Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Reinhard Hölzer vom 27.5.2008 wird Bezug genommen. Auf Antrag der Beklagten hat der Sachverständige im Termin vom 7.1.2009 sein Gutachten ergänzend mündlich erläutert. Diesbezüglich wird auf die Si...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge