Leitsatz (amtlich)

1. Vereinbaren die Parteien eines Grundstückskaufvertrages, dass der Verkäufer die Kosten für bereits fertiggestellte, aber noch nicht abgerechnete Einrichtungen der öffentlichen Wasser- und Abwasserversorgung zu tragen hat, so haben die Parteien in der Regel nur solche Einrichtungen im Blick, die dem Grundstück unmittelbar zugute kommen.

2. Nach dem objektiven Empfängerhorizont kann für die Auslegung des Begriffs "Einrichtung" nicht auf den kommunalabgabenrechtlichen Anlagenbegriff abgestellt werden, wonach die Gesamtheit aller Abwasser- und Trinkwassereinrichtungen in einem Beitragsgebiet eine einheitliche Anlage bilden.

 

Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Urteil vom 16.03.2005; Aktenzeichen 3 O 865/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Mühlhausen vom 16.3.2005 - 3 O 865/03, abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189.332,19 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 326.244,32 EUR vom 1.6.2002 bis zum Eingang des Erstattungsbetrages von 136.912,13 EUR bei der Klägerin und aus 189.332,19 EUR seit diesem Tage Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche, insb. Rückerstattungsansprüche gegen die Stadt E. aus den Bescheiden der Stadt E. vom 26.6.2001 (Az.:... 31 und ... 32) zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Erstattung von Anschlussbeiträgen für Wasserversorgung und Entwässerung für Grundstücke, die sie mit notariellem Kaufvertrag vom 28.12.1998 von der Beklagten gekauft hat.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Sie rügt, das LG habe fehlerhaft rein formal auf den kommunalabgabenrechtlichen Anlagenbegriff abgestellt, wonach die Gesamtheit aller Abwasser- bzw. Trinkwassereinrichtungen im gesamten Beitragsgebiet eine einheitliche Anlage bildeten. Auf dieser Grundlage habe es die Anlagen am Übergabetag als nicht komplett fertiggestellt angesehen.

Diese Betrachtungsweise widerspreche allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und berücksichtige nicht den Auslegungshorizont der Vertragsparteien.

Bei einem Grundstückskauf würden von den Parteien die Erschließungsanlagen ins Auge gefasst, die sich in einem unmittelbaren räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Kaufgrundstück befänden. Die Parteien seien auch hier beim Kaufvertrag von dem zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Erschließungsstand ausgegangen, wonach das Grundstück im Hinblick auf Trinkwasserversorgung und Abwasserversorgung als voll erschlossen angesehen worden sei. Zugrunde gelegen habe die Idee, dass weitere Erschließungsmaßnahmen, die nach dem Stichtag durchgeführt würden, zu einer Verbesserung der Erschließungssituation führen würden und daher von der Käuferin zu bezahlen seien, zumal diese bei der Kaufpreisfindung noch nicht berücksichtigt werden konnten.

Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass den Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages die unterschiedlichen Anlagenbegriffe bekannt gewesen seien.

Die Betrachtungsweise des LG führe auch zu offensichtlich unbilligen Ergebnissen und könne daher so von den Parteien nicht gewollt gewesen sein. Bei der Kaufpreisfindung (6,2 Mio. DM) sei berücksichtigt worden, dass es sich um ein trinkwasser- und abwassertechnisch voll erschlossenes Grundstück gehandelt habe. Wenn nun aber die Klägerin zusätzliche Erschließungskosten i.H.v. ca. 470.000 EUR (inkl. weiterer, hier nicht streitgegenständlicher Erschließungsbeitragsforderungen) zahlen müsse, erhöhe sich der Nettokaufpreis um ca. 15 %.

Stelle man allein auf den Wortlaut der strittigen Vertragsklausel ab, so regele diese nur solche Anlagen, die vor dem Stichtag errichtet worden seien und solche, die erst nach dem Stichtag begonnen und abgeschlossen worden seien. Anlagen, die stichtagsüberlappend errichtet worden seien, seien von dieser Regelung nicht erfasst. Es bestehe dann eine Vertragslücke. Diese sei dahingehend zu lösen, dass die Beklagte zumindest entsprechend der amtlichen Auskunft der Stadt E. vom 18.5.2004 die anteiligen Kosten erstatten müsse, die bis zum Stichtag angefallen seien.

Durch die Bescheide des Trink- und Abwasserverbandes E.-E. vom 16.3.2006 sind der Klägerin die Wasserversorgungsbeiträge, die sie auf Grund der Bescheide vom 26.6.2001 an die Stadtwerke E. i.H.v. insgesamt 136.912,13 EUR gezahlt hatte, erstattet worden. In Höhe dieses Betrages haben die Parteien des Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 5.7.2006 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunme...

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