Verfahrensgang

LG Meiningen (Aktenzeichen (111) 3 O 426/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichtes Meiningen vom 10.12.2018 (3 O 426/18) teilweise aufgehoben und hinsichtlich der Beklagten zu 2) wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 10.166,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.07.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges ..., ..., (FIN: ...).

b) Die Beklagte zu 2) wird ferner verurteilt, die Klägerin von den Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten, der ... Rechtsanwalts GmbH, ..., in Höhe von 958,19 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Berufung gegen das Urteil des Landgerichtes Meiningen vom 10.12.2018 (3 O 426/18) zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtstreites haben die Klägerin 80 Prozent der Gerichtskosten, 60 Prozent der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) in voller Höhe zu tragen. Die Beklagte zu 2) hat 20 Prozent der Gerichtskosten und 40 Prozent der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte zu 1) ist ferner das Urteil des Landgerichtes Meiningen vom 10.12.2018 (3 O 426/18) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

1. Der Klägerin und der Beklagten zu 2) bleibt nachgelassen, die jeweils gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils gegen sie insgesamt vollstreckbaren Betrages anzuwenden, wenn nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist zulässig und zum Teil begründet, zum Teil unbegründet.

A. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere sind die erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträge auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Fahrzeugübereignung im Sinne des § 533 ZPO sachdienlich, da insofern das Streitverhältnis zwischen den Parteien endgültig und ohne das Erfordernis eines weiteren Prozesses beendet werden kann (MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Auflage § 533, Rn. 13) und die zugrunde zu legenden Tatsachen ohnehin im Sinne des § 529 ZPO vom Senat zu berücksichtigen sind (MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Auflage § 533, Rn. 14).

B. Die Berufung ist zum Teil begründet, das Urteil des Landgerichtes Meiningen vom 10.12.2018 war aufzuheben, soweit es die Klage vollständig abgewiesen hat.

(1). Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) auf Zahlung von 10.166,31 Euro Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des im Tenor genannten Fahrzeuges aus §§ 826, 31, 249 BGB.

a). Die Beklagte zu 2) hat mit dem Inverkehrbringen des im Tenor genannten Fahrzeuges sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gehandelt.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, welches in einer Gesamtschau von Inhalt, Beweggrund und Zweck gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wobei nicht schon jede Pflichtverletzung bzw. jeder Verstoß gegen ein Gesetz aus-reicht (zuletzt: BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 525/19; OLG Schleswig, Urteil vom 22.11.2019, 17 U 44/19; MüKoBGB/Wagner, 7. Auflage, § 826, Rn. 9). Das Verhalten muss vielmehr besonders verwerflich sein, wobei es bereits in diesem Zusammenhang auf Kenntnisse und Beweggründe des Handelnden ankommen kann (BGH, Urteile vom 25.05.2020, VI ZR 252/19 und vom 28.06.2016, VI ZR 536/15).

Nach diesen Maßstäben handelte die Beklagte zu 2) sittenwidrig, in dem sie das später von der Klägerin erworbene Fahrzeug in den Verkehr brachte, obgleich dieses mit einer Software ausgestattet war, die eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) 715/2007 enthielt und dessen Typengenehmigung auf einer vorherigen Täuschung des Kraftfahrbundesamtes aus zuständiger Genehmigungsbehörde beruhte. Hierdurch brachte die Beklagte zu 2) zumindest konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug den geltenden Rechtsnormen entspreche und uneingeschränkt für den Straßenverkehr zuglassen sei, also zumindest im Zeitpunkt des Inverkehrbringens über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfüge (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, 5 U 1318/18; OLG Schleswig, Urteil vom 22.11.2019, 17 U 44/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019, 10 U 11/19 OLG Frankfurt, Urteil vom 31.03.2020, 13 U 134/19). Tatsächlich war der Beklagten zu 2) jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die EG-Typengenehmigung aufgrund einer Täuschung des Kraftfahrbundesamtes also zuständiger Genehmigungsbehörde beruhte und das Fahrzeug tatsächlich nicht den für Erhalt und Fortdauer der Typengenehmigung einzuhaltenden Vorschriften entsprach (vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, 5 U 1318/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, 13 U 142/18).

aa). Die Verwendung einer So...

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