Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Urteil vom 30.08.2022; Aktenzeichen 3 O 924/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 30.08.2022, Az. 3 O 924/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Mühlhausen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.820 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der in Thüringen wohnhafte Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Verlusten, die er bei der Teilnahme an Online-Glücksspielen erlitten hat. Die Parteien streiten insbesondere um ein Verbot von Online-Casinospielen unter der Geltung des Glücksspielstaatsvertrages 2012 (i.F.: GlüStV a.F.).

Die Beklagte mit Sitz in Malta ist Betreiberin von Online-Casinos bzw. Online-Glücksspielen und bot auch in den Jahren 2017 bis 2020 Online-Glücksspiele über ihre deutschsprachige Internetdomain ...öffentlich an. Sie verfügte hierzu über eine Lizenz nach maltesischem Recht. Über eine Glücksspiellizenz nach Thüringer Recht verfügte die Beklagte nicht.

Der Kläger war mit seiner E-Mail-Adresse bei der Beklagten als Spieler registriert. Im Zeitraum vom 16.10.2017 bis 01.04.2020 nahm er an von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen, namentlich an Automatenspielen (sog. "Slots"), teil. Hierbei verspielte er 11.820 EUR; seinen Einzahlungen von 12.120 EUR standen Auszahlungen von 300 EUR gegenüber.

Mit seiner erstinstanzlichen Klage - finanziert durch die ... - meinte der Kläger, seine Zahlungen an die Beklagte seien rechtsgrundlos erfolgt, da die zu Grunde liegenden Spielverträge gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam seien. Er selbst habe von der Illegalität von Online-Casinospielen in Thüringen keine Kenntnis gehabt. Er begehrte daher die Rückzahlung von 11.820 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Dabei hat es seine internationale Zuständigkeit für die streitgegenständlichen Ansprüche aus Art. 18, 17 Abs. 1c) VO (EU) 1215/2012 (auch Brüssel la-VO, i.F.: EuGVVO) bejaht, da der Kläger als Verbraucher seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Mühlhausen hat. Auch sei auf den jeweiligen Spielvertrag gemäß Art. 6 VO (EG) 593/2008 (i.F:: Rom-I-Verordnung) deutsches Recht anwendbar, da nach dem schlüssigen Klägervortrag dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, er von seiner Wohnung in Geisleden aus über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an den Online-Casinospielen teilnahm und die Abbuchungen über sein Deutschland geführtes Girokonto erfolgten.

Der Rückzahlungsanspruch des Klägers folge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, da seine Zahlungen an die Beklagte aufgrund gemäß § 134 BGB, § 4 GlüStV a.F. unwirksamen Spielverträgen ohne Rechtsgrund erfolgt seien.

Der Kläger sei hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auch aktivlegitimiert, da er seine Ansprüche nicht an den Prozessfinanzierer abgetreten habe. Zwar habe er den konkreten Vertrag mit der ... nicht vorgelegt. Jedoch entspräche es gängiger Praxis, dass im Rahmen einer Prozessfinanzierung die Ansprüche des Klägers nicht wie bei Inkassodienstleistern abgetreten würden, sondern stattdessen der Prozessfinanzierer eine erfolgsabhängige Beteiligung am Erlös der Klage erhalte. Dieses übliche Geschäftsmodell von Prozessfinanzierern ergebe sich auch aus den auf der Internetseite des hiesigen Prozessfinanzierers aufgeführten Hinweis im Rahmen der dortigen FAQs (... "... klagt selbst nicht. Eine mögliche Klage wird durch den von Ihnen beauftragten Anwalt in Ihrem Namen geführt." ...). Gegenteiliger Vortrag sei durch die Beklagte nicht erfolgt.

Die Beklagte habe mit ihrem online-Spielangeboten in Deutschland (hier speziell in Thüringen) gegen das im streitgegenständlichen Zeitraum geltende grundsätzliche Verbot von Online-Casinospielen gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. verstoßen. Auf ihre im EU-Ausland (Malta) erteilte Konzession könne sie sich dabei nicht berufen. Auch sei das Totalverbot ohne Erlaubnismöglichkeit nach § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nicht unionsrechtswidrig. Insbesondere liege kein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV vor.

Der Bereicherungsanspruch des Klägers scheitere auch nicht an § 817 Satz 2 BGB, da es zumindest an den erforderlichen subjektiven Voraussetzungen fehle. Die Beklagte habe insoweit weder hinreichend darlegen noch nachweisen können, dass sich der Kläger zumindest leichtfertig der Einsicht der Illegalität des Spiels verschlossen habe. Unabhängig davon stehe § 817 Satz 2 BGB dem Rückzahlungsanspruch auch deshalb nicht entgegen, weil die Kondiktionssperre t...

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