Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein (zunächst) fehlerhaft gegründeter - körperschaftlich strukturierter -Zweckverband kann im Bereich des Privatrechts Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten und damit Partei eines privatrechtlichen Vertrages sein; er ist dann als nicht rechtsfähiger (bzw. im Rahmen von Rückabwicklungs- und Schadensersatz-ansprüchen als teilrechtsfähiger) Verband eigener Art zu behandeln. Auf ihn sind stets die Rechtsgrundsätze derjenigen zivilrechtlichen Korporation anzuwenden, die jeweils am weitestgehend mit seiner Struktur übereinstimmen.

2. Ist ein solcher Vorverband zivilrechtlich teilrechtsfähig und hat er als solcher einen Schaden erlitten, ändert die nachfolgende konstitutive Gründung des Verbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts nichts am Bestand der bereits vorher entstandenen privatrechtlichen Rechte und Pflichten, ferner nichts an deren Abwicklung. Es tritt nach wirksamer Konstituierung lediglich eine weitere rechtliche Qualität hinzu.

3. Verletzt die Rechtsaufsichtsbehörde bei der (konstitutiven) Verbandsgründung eines solchen Verbandes ihre normativ ausgerichtete Prüfpflicht im Hinblick auf die Regeln zur Veröffentlichung nach der Thüringer BekanntmachungsVO, ist der Verband also wegen Verletzung solcher (gesetzlich zwingender) Verlautbarungsregeln nicht wirksam gegründet worden, so hat diese rechtsaufsichtliche Pflichtverletzung drittschützenden Charakter in Bezug auf den nicht wirksam gegründeten Verband.

Daran ändert sich auch nichts durch den im Rahmen der Staatshaftung geltenden haftungsbegrenzenden Rechtsgrundsatz, dass der Bürger keinen mit der Sanktion des Schadensersatzes bewehrten allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gegen die öffentliche Hand hat.

 

Normenkette

GG Art. 34; ThürKGG §§ 18-19; BGB § 839; ThürKGG § 17

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 29.07.2011; Aktenzeichen 10 O 1377/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.07.2013; Aktenzeichen III ZR 323/12)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Erfurt vom 29.7.2011 (Az. 10 O 1377/10) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung seitens der Klägerin gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist ein zum 1.10.2009 als Körperschaft des öffentlichen Rechts wirksam gegründeter Abwasserzweckverband. Er nimmt den Beklagten im Wege der Feststellungsklage aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Schadenersatz wegen einer im Jahre 2002 fehlerhaft vollzogenen Verbandsgründung in Anspruch.

Der Kläger bestand bereits seit dem Jahre 1992 als sog. "Vorverband" bzw. "Verband in Gründung". Am 18.6.1992 vereinbarten die Mitgliedsgemeinden des Verbandes eine "Satzung des Abwasserzweckverbandes F.". Die Verbandssatzung wurde nach Maßgabe der (teilweisen) Genehmigung durch das Landratsamt S. vom 16.7.1992 am 29.1.1993 erstmals öffentlich bekannt gemacht. Die Satzungen wurden in der Folgezeit mehrfach abgeändert; die letzte (in der Folgezeit ebenso abgeänderte) Verbandssatzung wurde im Dezember 1996 zwischen den Verbandsgemeinden vereinbart. Das VG Weimar stellte mit Urteil vom 14.7.2003 (7 E 641/03, Anlage K 2) fest, dass die im Verwaltungsverfahren erhobenen Widersprüche gegen die vom Zweckverband erlassenen Vorauszahlungsbescheide aufschiebende Wirkung hätten, da "die Unwirksamkeit der Verbandsgründung des Antragsgegners" (dies war der hier klagende Zweckverband)".. offensichtlich" sei. Gegenstand dieser Entscheidung, auf deren weiteren Inhalt verwiesen wird, waren Beitragsbescheide aus dem Jahre 2000, erlassen aufgrund der bis einschließlich 29.7.2002 erlassenen und (am 7.8.2002 veröffentlichten) Beitrags- und Gebührensatzung.

Aufgrund dieser und ähnlicher gerichtlicher Entscheidungen verfasste das T. er Innenministerium am 29.8.2002 ein Anschreiben an den Vorverband mit "Handlungsempfehlungen", da das Verfahren zur Bildung eines Abwasser-zweckverbandes- wie es dort wörtlich heißt: "... aus Rechtssicherheitsgründen wiederholt werden" müsse (Anlage K 3, Bl. 52 d.A.). In diesem Schreiben, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wird ausdrücklich auf den Verfahrensweg nach §§ 17-19 des Thüringer Gesetzes über die Kommunale Gemeinschaftsarbeit (nachfolgend: ThürKGG) hingewiesen.

Mit Schreiben vom 6.12.2002 wurde die im Dezember 1996 beschlossene Verbandssatzung nochmals von der Aufsichtsbehörde, dem Landrat des Landkreises S., genehmigt. Die Satzung wurde im Amtsblatt des Landkreises S. Nr. 50/2002 vom 18.12.2002 mit Abdruck der handschriftlichen und gesiegelten Unterzeichnung öffentlich bekannt gemacht; im Anschluss daran ist die Genehmigung des Landratsamtes abgedruckt. Der Zweckverband erließ in der Folgezeit Gebührensatzungen und erhob auf deren Basis Gebühren und erbrachte ...

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