Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich obliegt einer Gemeinde für die innerörtlichen Straßen eine - in Thüringen hoheitlich ausgestaltete - Räum- und Streupflicht bei allgemeiner Straßenglätte (§§ 10 Abs. 1, 43, 49 Abs. 3 ThürStrG).
2. Nach der (ständigen) Rechtsprechung des Senats sind Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften aber nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen zu räumen. Dabei sind Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs.
3. Eine Räum- und Streupflicht besteht aber dann nicht, wenn und solange durch das Räumen und Streuen wegen anhaltend starken Schneefalls oder sonstiger extremer Witterungsbedingungen keine nachhaltige Sicherungswirkung für den Verkehr erreicht werden kann. Ein völlig sinnloses Handeln kann von der (streupflichtigen) Gemeinde nicht verlangt werden.
Normenkette
BGB § 838 Abs. 1; GG Art. 34; ThürStrG § 10 Abs. 1, §§ 43, 49 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Urteil vom 03.04.2008; Aktenzeichen 6 O 1022/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Mühlhausen vom 3.4.2008 - 6 O 1022/06 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.428,19 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 25.1.2006 gegen 18.10 Uhr in G., F.-von-H.-Straße geltend. Der Kläger ist - in zweiter Instanz unstreitig - an der Einmündung zur R.-K.-Straße auf der verschneiten Straße mit seinem Fahrzeug ins Rutschen geraten und gegen die Gartenmauer des Grundstücks des Zeugen B. geprallt.
Das LG hat der Klage auf Zahlung von 2.428,19 EUR nebst vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten nach Beweisaufnahme stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Unfallstelle sei aufgrund ihres Gefälles als gefährlich anzusehen. An die Verkehrswichtigkeit seien bei einer derartigen Gefährlichkeit geringere Anforderungen zu stellen. Eine hinreichende Verkehrswichtigkeit sei zu bejahen, da das Wohngebiet nur über die F.-von-H.-Straße verlassen werden könne. Ein Mitverschulden des Klägers liege nicht vor, da auch andere Verkehrsteilnehmer ins Rutschen geraten seien und nach der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass der Kläger nur Schrittgeschwindigkeit gefahren sei. Zwischenzeitliches Räumen und Streuen sei nicht nutzlos gewesen, da zumindest die Bildung einer Eisschicht unter der Schneedecke hätte vermieden werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, dass eine gefährliche Strecke nicht vorliege, da die Unfallstrecke nicht durch fehlende Beherrschbarkeit gekennzeichnet sei. Aus den Ausführungen des LG ergebe sich nicht, dass ein Kraftfahrer aufgrund der Verkehrssituation bremsen, ausweichen oder die Richtung ändern müsse. Zudem sei eine Verkehrswichtigkeit nicht gegeben, da die F.-von-H.-Straße eine reine Anliegerstraße sei. Weiter macht die Beklagte geltend, dass Schneefall erst gegen 17 Uhr eingesetzt habe und sie damit nicht bis zum Unfallzeitpunkt die Unfallstelle hätte streuen müssen, da ihr eine gewissen Rüstzeit zuzubilligen sei. Sie rügt, dass das LG ihr Beweisangebot bzgl. des Beginns des Schneefalls übergangen habe. Weiter ist die Beklagte der Ansicht, dass dem Kläger ein Mitverschulden zuzurechnen sei.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Mühlhausen vom 3.4.2008 - 6 O 1022/06 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist abzuweisen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aufgrund des Unfalls vom 25.1.2006 gegen 18.10 Uhr in Greußen, F.-von-H.-Straße.
Der Beklagten ist kein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten vorzuwerfen ist, da zum Unfallzeitpunkt keine Räum- und Streuverpflichtung bestand, zudem muss sich der Kläger ein überwiegendes Mitverschulden zurechnen lassen.
Grundsätzlich obliegt der Beklagten nach §§ 10 Abs. 1, 43, 49 Abs. 3 des Thüringer Straßengesetzes die - Thüringen hoheitlich ausgestaltete - Räum- und Streupflicht. Nach der ständigen Rechtsprechung sind Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen zu räumen. Dabei sind Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs (BGH, Urt. v. 20.10.1994 - III ZR 60/94, VersR 1995, 721). Eine Räum- und Streupflicht besteht nicht, solange durch das Streuen wegen anhaltend starken Schneefalls oder sonstiger extremer Witterungsbedingungen keine nachhaltige Si...