Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Aktenzeichen 3 O 441/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 27.04.2021, Az. 3 O 441/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht Schadenersatzansprüche wegen des Kaufs eines Pkw VW Caddy Trendline, 1.6 TDI, 75 KW am 19.04.2013 beim Autohaus A L, zu einem Kaufpreis von 21.420,00 EUR brutto geltend. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor EA 189, Schadstoffklasse Euro 5 ausgestattet, der von dem sogenannten VW-Dieselskandal betroffen ist. Die Beklagte hat sich gegen die Klage unter anderem durch Erhebung der Einrede der Verjährung verteidigt. Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte nach persönlicher Anhörung der Klägerin zur Zahlung von 8.374,11 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie zur Zahlung weiterer 358,64 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Feststellung des Verzugs der Beklagten mit der Annahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs ausgesprochen. Außerdem hat es die Beklagte zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen verurteilt. Entsprechend der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu EA-189 Fällen ist es von einem Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB ausgegangen. Dieser Anspruch sei nicht verjährt. Eine positive Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände vor Ende des Jahres 2016 nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB liege nicht vor. Hierfür sei die Kenntnis der Klägerin von der konkreten Betroffenheit ihres eigenen Fahrzeugs erforderlich. Die allgemeine Kenntnis vom sogenannten "VW-Abgasskandal" genüge nicht. Die Klägerin habe bei der Anhörung im Termin vom 23.03.2021 glaubhaft ausgesagt, dass sie erst Anfang des Jahres 2017 von der Betroffenheit ihres eigenen Fahrzeuges von dem sogenannten VW-Abgasskandal Kenntnis erlangt habe. Sie habe umgehend einen Termin in ihrer Werkstatt vereinbart, in welcher dann am 13.03.2017 das Software-Update aufgespielt worden sei. Ein Schreiben der Beklagten im Februar 2016 habe sie nicht erhalten, ebenso keine Aufforderung des KBA, dass sie ihr Fahrzeug nachrüsten müsse. Obwohl nach Kenntnis des Gerichts die Mehrzahl der Informationsschreiben der Beklagten bereits im Februar 2016 verschickt worden seien, sei die Aussage der Klägerin im Termin vom 23.03.2021 deswegen nicht von vornherein unglaubwürdig. Gerichtsbekannt sei es durchaus vorgekommen, dass einzelne Halter auch erst 2017 angeschrieben worden seien. Demnach sei die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Klägerin ein entsprechendes Informationsschreiben bereits im Jahr 2016 erhalten habe. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt.
Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen liege nicht vor. Zwar sei es über die von der Beklagten eingerichtete Webseite oder durch Nachfrage bei einem VW-Vertragshändler für die Klägerin spätestens im November 2015 ohne Weiteres möglich gewesen, die Betroffenheit ihres Fahrzeugs zu ermitteln. Jedoch treffe den Geschädigten generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben. Vielmehr müsse das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können. Gerichtsbekannt seien von der Beklagten im Jahr 2015 neben den Fahrzeugen mit dem streitgegenständlichen Dieselmotor des Typs EA 189 auch Fahrzeuge mit den nach Angaben der Beklagten nicht betroffenen 2.0 Liter Dieselmotoren EA 188 und EA 288 vertrieben worden. Auch ergebe sich der im Fahrzeug der Klägerin verbaute Motortyp nicht ohne weiteres aus dem Fahrzeugschein. Zudem habe die Klägerin, gerade weil sie kein Informationsschreiben im Jahr 2016 erhalten habe, davon ausgehen können, dass ihr Fahrzeug von dem VW-Abgasskandal nicht betroffen sei. Somit erscheine die Untätigkeit der Klägerin in den Jahren 2015 und 2016 jedenfalls nicht als "geradezu unverständlich" i.S.d. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die dreijährige Verjährungsfrist habe daher im vorliegenden Fall jedenfalls nicht vor dem 31.12.2017 zu laufen begonnen, so dass sie bei Eingang der Klage am 27.07.2020 noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Die Klägerin könne somit im Wege des sogenannten großen Schadenersatzes die Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen verlangen, Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs, wobei für das streitgegenständliche Fahrzeug von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km auszugehen sei. Zu dem ersatzfähigen Schaden der Klägeri...