Verfahrensgang
LG Erfurt (Aktenzeichen 10 O 1715/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 03.06.2021, Az. 10 O 1715/20, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten. Ausgenommen hiervon sind die Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind. Diese Kosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz materieller und immaterieller Art sowie die Feststellung der Einstandspflicht des Beklagten für weitere Schäden aus einer zahnärztlichen Behandlung im Zeitraum August 2013 bis April 2018.
Gegenständlich geht es um eine prothetische Versorgung des Ober- und Unterkiefers der Klägerin.
Den Behandlungsunterlagen des Beklagten sind folgende Details der Behandlungen zu entnehmen: Im Oberkiefer trägt die Klägerin eine Teleskopprothese, wobei sich die Teleskope 14 und 15 auf eigenen (wurzelbehandelten) Zähnen der Klägerin befinden und die übrigen (13, 11, 22, 24, 26) von Implantaten getragen werden. Dazu hat der Beklagte am 13.08.2014 den Zahn 11 extrahiert, bereits vorhandene Implantate freigelegt und im Bereich 13, 24 und 26 später neu gesetzt sowie den Zahn 21 mit einer Krone versorgt. Im Unterkiefer befinden sich vier Kugelknopfanker auf Implantaten in situ regio 34, 32, 42, 44. Dazu hat der Beklagten der Klägerin die Zähne 34 bis 42 (sechs Zähne) am 06.03.2014 extrahiert und vier Implantate regio 44, 42, 32 und 34 gesetzt.
Die Klägerin hatte wiederkehrend Beschwerden mit den Prothesen und suchte deswegen den Beklagten mehrmals auf, der Nachbesserungsarbeiten vorgenommen hat.
Die Klägerin ließ daraufhin ein Privatgutachten des Dr. ... aus ... erstellen. Dr. ... hat in seinem Gutachten vom 22.09.2017 (AB/KV) festgestellt, dass die Neuanfertigung des Zahnersatzes im Ober- und Unterkiefer notwendig gewesen, die Planung nicht zu beanstanden und bei den gegebenen knöchernen Verhältnissen die Versorgung mit Implantaten die einzige Möglichkeit gewesen sei, den Zahnersatz zu verankern. Schließlich sei die Ästhetik nicht zu beanstanden. Nachzubessern sei dergestalt, dass die Prothesenbasis im Ober- und Unterkiefer zu vergrößern und Beschwerden im linken Oberkiefer durch eine chirurgische Revision regio 26 zu beheben seien. Im Nachgang begab sich die Klägerin wiederum in die Behandlung des Beklagten, der Nachbesserungsarbeiten durchführte. Im daraufhin beauftragten Ergänzungsgutachten vom 21.12.2018 hat Dr. ... schließlich ausgeführt, dass die Nachbesserungsarbeiten erfolgreich gewesen seien, Fehler am eingegliederten Zahnersatz nicht festzustellen seien und eine Ursache für die Beschwerden der Klägerin nicht gefunden werden könne (AB/KV). Für die Begutachtung sind Kosten i.H.v. 400,00 EUR und 120,61 EUR angefallen.
Die Klägerin hat in erster Instanz behauptet, aufgrund einer mangelhaften Zahnversorgung über 3 Jahre lang unter starken Schmerzen im Bereich der Implantatversorgung gelitten zu haben; sie habe einen Druckschmerz als auch einen Kieferschmerz im Ober- und Unterkiefer gehabt. Während der bis 2018 andauernden Nachbehandlungen habe sie Schmerzen erdulden müssen. Die Nachbehandlungstermine seien bei einer ordnungsgemäßen Implantatversorgung nicht notwendig gewesen. Die "erste" Versorgung der Zähne sei nicht angemessen gewesen und nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden. Sie leide immer noch an Beschwerden, weshalb eine Schadensentwicklung mit Blick auf weitere Behandlungen noch nicht abgeschlossen sei.
Sie hat vertreten, ein Schmerzensgeld von mindestens 3.500,00 EUR sei angemessen und erforderlich.
Die Klägerin hat in erster Instanz zunächst beantragt, 1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 520,61 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des BGB seit Rechtshängigkeit; 2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird; mindestens jedoch 3.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des BGB seit Rechtshängigkeit; 3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftigen immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die er aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung gemäß Ziffer 1. entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Das Landgericht hat im schriftlichen Vorverfahren am 10.03.2021 gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil erlassen und diesen antragsgemäß zur Zahlung von 520,61 EUR nebst Zinsen und eines Schmerzensgeldes...